Archiv 2003

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EXPO 3000
Stop & Go


Stop & Go

Abrie Fouriear • Mathew Hindley •
Franz Höfner & Harry Sachs • Philip Horst • Christian Nerf • Manfred Reuter • Kai Zimmer
in Kooperation mit Galerie Expo 3000, Berlin
Eröffnung: Freitag, 28. November 2003, 20.00 UhrEinführung: Spunk Seipel, Berlin (Kurator der Ausstellung)29. November – 21. Dezember 2003do – so 14.00 – 17.00 Uhr


Stop & Go ist eine Ausstellung, die um die Mobilität bzw. Immobilität auf der Straße handelt. 

Dabei werden verschiedene Erfahrungen vor unterschiedlichen kulturellen Hintergründen künstlerisch verarbeitet und sowohl sehr subjektive als auch objektive, allgemein erfahrbare Einsichten dargestellt.

Besonders in Südafrika ist die Straße zu einem Angstraum geworden, in dem sich niemand sicher fühlt. Die Straße wird als Bedrohung wahrgenommen, in dem es einen Kampf um Leben und Tod gibt. Brutalste Überfälle auf Autofahrer sind an der Tagesordnung, viele Straßen gelten zumindest in der Dunkelheit als lebensgefährlich zu befahren.

Matthew Hindley hat Menschen mit einer Kamera ausgestattet, die immer nur dann gefilmt hat, wenn sich der Puls aufgrund von Streßsituationen erhöht hat. So sieht man Fahrradfahrer, die von Autos überholt werden oder auch einen Mann, dessen Fahrrad gestohlen worden ist.

In solchen Situationen wünscht man sich oft die schützende Anwesenheit und Hilfe von Polizisten herbei. Allerdings können diese manchmal zu sehr auf Recht und Ordnung achten. So mußte Philip Horst zusehen, und dokumentierte dies in 30 Fotografien, wie seine Schwalbe, ein ostdeutsches Kultmoped, von der Polizei abgeschleppt worden ist. Er wurde zur Immobilität verurteilt. Natürlich liegt auch eine gewisse Ironie in der Tatsache, daß für solch ein kleines Moped, ein riesiger Abschleppwagen bestellt worden ist.

Ebenfalls mit Ironie behandeln Franz Höfner und Harry Sachs in Videos ihre gescheiterten Autofahrten, z.B. in der Lagune von Venedig. Videoarbeiten, die zum Teil speziell für die diesjährige Biennale in Venedig entstanden sind.

Die Straße ist aber auch der Ort, an dem die verschiedensten sozialen Gruppierungen miteinander konfrontiert werden. Sie kann dadurch Impulse auslösen, Neues zu entdecken und Vorurteile abzubauen.

Christian Nerf gab, als Reaktion auf diese Erfahrung einem Straßenbettler eine als Coca Cola Dose verkleidete Kamera in die Hand. Mit dieser ausgerüstet trat Tom, der Bettler, an Ampeln auf wartende Autofahrer zu und überraschte sie, indem er sie fotografierte. Die Erleichterung auf den Gesichtern ist sichtbar. Ein künstlerisches Konzept, dass sich aber auch auf Deutschland übertragen läßt, da man auch hier die Konfrontation mit dem Elend eher scheut.

Persönlichere Aspekte der Fortbewegung behandeln Kai Zimmer und Manfred Reuter.

Der bekannte Videokünstler Kai Zimmer zeigt in seinen Videos eine persönliche Reise durch Amerika, angefüllt mit den Mythen und Klischees von Hollywoodfilmen über Amerika.

Manfred Reuter nahm sich Johann Gottfried Seume zum Vorbild. Dieser wanderte im 18. Jahrhundert zu Fuß von Leipzig nach Sizilien und zurück. Reuter erwanderte sich in zig Spaziergängen seine kurzzeitige Wahlheimat Berlin und legte genau die selbe Strecke zurück wie sie Leipzig- Sizilien hat.
In Zeichnungen und auf einem Stadtplan hat er dies dokumentiert und gibt nun Anregung, Mobilität einmal wieder anders zu erleben und zu ergehen, als mit dem Auto und zeigt auf, daß Mobilität nicht immer etwas mit Geschwindigkeit zu tun hat.

Spunk Seipel

 

 Tomoko Baba | Thomas Bakker
Skulpturen und Video-Installationen


Tomoko Baba Thomas Bakker
Skulpturen und Video-InstallationenEine Ausstellung in Zusammenarbeit mit
Stichting Idee Fixe, Breda (NL)
Kuratiert von Dorien und Paul Eggink
Eröffnung: Freitag, 24. Oktober 2003, 20.00 UhrDie Ausstellung ist der Beginn eines Künstler-Austausch-Projektes
zwischen Landshut und Breda. Im Jahr 2004 zeigen
Doris M. Würgert und Christian Frosch als Künstler
der Neuen Galerie Landshut neue Arbeiten in Breda.25. Oktober – 16. November 2003
do – so 14.00 – 17.00 Uhr
 

Brigitte Schwacke | Yukara Shimizu
a piece of silence

Yukara Shimizu | Brigitte Schwacke
a piece of silence
Eröffnung am Freitag, 19. September 2003, 20.00 Uhr20. September bis 12. Oktober 2003
do – so 15:00 – 18:00 Uhr


Yukara Shimizu zeigt geheimnisvolle Photographien. Eine Serie nächtlicher Waldszenen führt motivisch ihre bisherigen Photographien in fast erzählerischer Weise fort. Aus irritierenden Innenraumsituationen mit Spiegelungen und Dia-Projektionen ging der Weg aus mysteriös halb geöffneten Türen in der folgenden Serie hinaus in den Garten und markierte in der Dämmerung einen Bereich zwischen Kultur und Natur, zwischen Tag und Nacht. Rotes Licht leuchtet matt aus einem Haus in den Garten während der späten Dämmerung in der Serie „The voice was behind me“. Immer sind die menschenleeren Szenerien nur spärlich von farbigem Licht beleuchtet. Schließlich führt die Künstlerin hinein in den nächtlichen Wald, der von blauem Licht minimal beleuchtet wird, so dass nur pflanzliche Strukturen aus dem Schwarz der tiefen Nacht auftauchen.
Was mag an diesem Schauplatz passiert sein?
Mit leisen Tönen und feinen Nuancen hält Yukara Shimizu einen undefinierbaren Moment zwischen den Tageszeiten, zwischen Ereignissen fest und markiert damit eine Grenze des „Dazwischen“. Alles bleibt offen. Die Neugier ist geweckt. Ist das wirklich oder nicht? Die Photographie scheint der Beweis der Realität zu sein, doch durch sie taucht alles in farbiges Licht und läßt traumhafe, subjektive Welten entstehen. Das blaue Licht macht alle Dinge immateriell, das rote verheißt Unheilvolles. Allein die Nacht oder die Dämmerung repräsentiert etwas Geheimnisvolles, auch Bedrohliches und Melancholisches, etwas das tief in unserer Erinnerung verwurzelt ist.
Elisabeth Hartung“Nachtschatten“ lautet der Titel der neuen Arbeiten von Brigitte Schwacke.
Die Künstlerin verwendet Fotografien und Skulpturen, um Schwebezustände und Grenzbereiche des menschlichen Daseins aufzuzeigen. Schattenlinien markieren etwa in der Arbeit „Gebrochenes Schweigen II“ die sich ständig verändernden Übergänge zwischen Wasser und Luft. Linien aus Draht bilden Raumzeichnungen, die einer Fata Morgana gleichen, die nicht festgehalten werden kann.
Karina Spechter
Namenlos

KARINA SPECHTER
Namenlos

Eröffnung: Freitag, 11. Juli 2003, 20.00 UhrEinführung: Stefanje Weinmayr,
Skulpturenmuseum im Hofberg, Landshut12. Juli – 03. August 2003do – so 15.00 – 18.00 Uhr



Stimmen zu Karina Spechter

„Die Figuren Spechters bergen auch ein Geheimnis, mehr aber doch kryptische Rätsel. Ihre köperliche Präsenz und die geschlossenen Silhouetten machen sie zum Zeichen, wofür?, die Titel bewirken einen Radius von merkwürdigen, surrealen Assoziationen.
Die Materialität des Papiermachés verschwindet unter Kunstharzfarben, die nicht in jedem Fall, aber häufig, monochrom aufgetragen sind. Die Figuren präsentieren sich wie farbige Kürzel, wie kleine, böse oder froh gestimmte Komprimate für Träume, Prinzipien, Zustände, Erinnerungen. Ihre Energie verströmt sich nicht, sie ist gebündelt mit einer spürbaren Sprengkraft, die unter der Oberfläche arbeitet und wartet.“
Auszug aus einer Pressemitteilung von Dr. Gabriele Ivan, Galerie am Prater, Berlin, 1998″Karina Spechters farbige Papierobjekte, deren Herkunft weder durch das bis zur Unkenntlichkeit bearbeitete Material, noch durch die Farbigkeit zu entschlüsseln ist, sind innere Bilder, die in eine plastische Form übersetzt wurden. Die fremd anmutenden, archaischen Formen sind bildgewordene Erfahrungen; Zeichen, die an Unterbewußtes rühren.“
Auszug aus einer Pressemitteilung der Galerie Alex Lachmann, Köln, 1998

Chikako Mori
Lake

Chikako Mori

LAKE
eine Rauminstallation
Eröffnung am Freitag, 06. Juni 2003, 20.00 Uhr07. Juni bis 29. Juni 2003
do – so 15:00 – 17:00 Uhr


Chiako Mori lebt und arbeitet in Kanagawa in der Nähe von Tokyo.

Sie studierte Graphik an der Kuwasama Design School und lebt seit 1990 als freischaffende Künstlerin in Kanagawa. Seither hat sie zahlreiche Gruppen- und Einzelausstellungen bestritten, unter anderem in Yokohama, Osaka, Okinawa, Tokyo, London und Hamburg.
„Lake“ – „See“ lautet der Titel der raumgreifenden Installation von Chikako Mori im oberen Stockwerk der Neuen Galerie Landshut. Sie thematisiert die topographische, aber auch die poetische Situation dieses Ortes, die geprägt ist vom Wasser, von der Isar, die mit ihren Armen den Gotischen Stadel umspült. Die Installation antwortet darauf: die blauen, wie zufällig an Wand und Boden verteilten Papiere bilden eine Fläche, die an eine in den unterschiedlichsten Blautönen schillernde Oberfläche eines Gewässers denken lässt.
Einen europäischen Betrachter ruft dies möglicherweise Monets späte Seerosenbilder ins Gedächtnis. Tatsächlich geht diese Installation ja gleichsam nach einer spätimpressionistischen Methode vor: sie erzeugt den optischen Eindruck einer Fläche, indem sie sie beinahe pointilistisch aus vielen unterschiedlich blauen Farbfeldern zusammensetzt. Allerdings ist diese Arbeit keine späte Paraphrase auf den europäischen Impressionismus: Seerosenteiche, wie sie sich Monet für Giverny anlegen ließ, gibt es vielmehr noch heute in zahlreichen japanischen Gärten. Der Lotus, der darin wächst, lockt viele Japaner in den frühen Morgenstunden in den Park, denn seine Blüten öffnen sich mit einem ganz besonderem Geräusch, dem Lotus-Pom, in den sich viele versenken, …“um für einen Augenblick, in völliger Selbstvergessenheit, der Wirklichkeit dieser Naturerscheinung gegenüberzustehen, wobei die Trennungswand, die das Selbst sonst um sich zieht, schlagartig einstürzt“, wie es der Literaturforscher Jan Ulenbrook beschreibt., …“so daß sein eigenes Wesen für einen Lidschlag der Zeit mit dem Wesen der ihm begenenden Naturerscheinung eins wird.“
Chikako Mori’s Installation „Lake“ vermittelt uns mit rein visuellen Mitteln einen synergetischen Eindruck dieses Augenblicks. Wir glauben, in den kleinen Bläschen, die an der Wand hochsteigen, dieses leise Ploppen, diesen Pom, zu hören und die raue und zugleich sanfte Oberfläche der Papiere vermittelt uns darüber hinaus eine Imagination der Berührung von etwas Fremd-Vertrautem.
Dabei lebt diese beinahe malerische Arbeit allein von den vielfältigen Nuancen der mit Indigo gefärbten Papiere, die alle von der Künstlerin nach einem alten japanischen Verfahren selbst geschöpft wurde. Sonst braucht sie nichts – wenn man einmal von einem bisschen Klebstoff und ein paar Nadeln absieht.
Chikako Mori setzt in ihrer Kunst bewusst die Ästhetik der Notdürftigkeit ein. So fand zum Beispiel ihre ganze Ausstellung in einer Kiste Platz; was sie sonst noch benötigte, fand sie vor Ort. Mit diesen wenigen Mitteln, in einer beinahe zufällig wirkenden Anordnung von selbstgeschöpften blauen japanischen Papieren erzeugt sie die Illusion eines Sees, eines Regenschauers Ð oder von etwas ganz anderem.
Denn die Assoziation des Lotusblütenteichs ist nur eine ganz subjektive Interpretation – und sicher nicht die einzig gültige.
„Meine Vorstellungen sind nichts ohne das Bild, das du dir von ihnen machst.“ Dieser Satz steht in einem Brief, den eine entfernte Tante der Künstlerin als junge Frau an ihren Geliebten schrieb, den sie aufgrund der damaligen Konventionen nicht heiraten konnte. Der Brief hat den Geliebten nie erreicht – aber nach einem Satz von Jacques Lacan erreicht jeder Brief seinen Empfänger. Noch heute ziehe sie, so die Künstlerin manchmal den Brief aus der Lade; und so ist – folgen wir Lacan- der Brief wohl an die Absenderin selbst geschrieben. So ähnlich wie in dem uralten Haiku der Kaiserin Iwahime, der lautet:
„Ich aber bleibe
Und werde auf dich warten,
Bis in das Wehen
All meines schwarzen Haares
Der Rauhreif sich gesetzt hat.“Auch Chikako Mori’s Arbeit gleicht einem Haiku: sachlich, schlicht – und ohne grüblerische Bedeutung.
Das Experimentierfeld ihrer Kunst ist es, der Ordnung, der Bedeutung zu entwischen. Der Haiku ebenso wie ihre Arbeit erzeugen ein in die Funktionalisierung geschnittenes Loch, lassen die Kunst der Ordnung entkommen, schaffen Platz, setzen einen Schnitt: damit ausdringen kann, was immer verborgen ist: der Schatten der Sprache, der Schatten der blauen Farbe auf sich selbst.
Und wenn wir uns dann zu sehr mit unseren eigenen Assoziationen allein gelassen fühlen, so könnten wir uns den Satz von Jacques Lacan noch einmal erinnern: ‚Ein Brief erreicht immer seinen Empfänger‘ – und ihn umkehren: Wenn wir einen Brief empfangen, so war er sicher für uns bestimmt.Franz Schneider 

Horst Thuerheimer
Neue Arbeiten


Horst Thürheimer

Neue Arbeiten

Eröffnung: Freitag, 09. Mai 2003, 20.00 Uhr

10. Mai – 01. Juni 2003
do – so 15.00 – 18.00 Uhr

Führung durch die Ausstellung:
Sonntag, 01.Juni, 15.30 Uhr


Alle wirklich interessanten Phänomene liegen jenseits der Oberfläche. Auch die Arbeiten des Münchner Künstlers Horst Thürheimer verfügen über diese faszinierende Mehrdimensionalität. Auf seinen Bildern grenzen schwarze Farbquadrate an grüne, tut sich, eingerahmt von schwarzen Linien, eine Landschaft aus graublauer Farbe auf. Das Geheimnis dieser Gemälde: Hinter dem Sichtbaren formieren sich die „Dinge jenseits der Dinge“ – so der Titel einer früheren Ausstellung Horst Thürheimers. Ab Samstag, 3. Mai, zeigt die Neue Galerie Landshut eine Auswahl seiner neuen Arbeiten. Die öffentliche Vernissage findet am Freitag, 2. Mai, um 20 Uhr im Gotischen Stadel auf der Mühleninsel statt. 

„Worum es in den Bildern geht: Räume zu öffnen – und dahinter eine neue Welt zu entdecken“, sagt der Künstler. Mal erscheint Schwarz, die dominanteste aller Farben, als Block, der den Bildvordergrund abriegelt, mal rückt Schwarz als Fluchtpunkt ganz in den Hintergrund. „Horst Thürheimer zeigt sich uns jetzt als Magier eines dunklen Zaubers“, beschreibt der Feuilletonist und Autor Johannes Willms die Kraft, die von diesen Arbeiten ausgeht. „Er insistiert auf einer Transparenz, die nichts anderes ist als eine Möglichkeitsform, die zwiespältige Zustände in sich birgt. Was uns hier widerfährt, ist eine Schule des Empfindens, in der alle Formen in Farben aufgelöst sind und das Erfassen mit dem Entstehen in eins fällt.“
Früher arbeitete Horst Thürheimer oft mit Acrylfarben, die er mit Marmormehl verdickte. Das führte auf dem Malgrund zu pastoser Dichte, manchmal waren seine Bilder mit Schrunden übersäht und hatten eine geradezu haptische Qualität.
Die neuen Bilder wirken durchlässiger, fast meditativ. Die Materialien, mit denen Thürheimer diese Effekte erreicht: schweres Büttenpapier und Ölkreiden. Oft legt er zahlreiche Schichten von Ölkreide übereinander – so entsteht der für seine Bilder typische Eindruck der Transparenz. „Man spürt, dass hinter diesen Schichten noch etwas ist“, erklärt Thürheimer, „man will die Schichten abziehen, das Bild Schleier für Schleier entkleiden, um zu gucken, was dahinter zum Vorschein kommt.“
Der 1952 in Ulm geborene Maler studierte von 1974 bis 1980 bei den Professoren Heinz Butz und Rudolf Tröger an der Akademie der Bildenden Künste in München, wo er bis heute lebt. Zu den zahlreichen Preisen und Stipendien, die er im Laufe seiner Karriere erhielt, zählen auch der Bayerische Staatspreis (1988) und das USA-Stipendium des Bayerischen Staates (1989). Seine Werke wurden in zahlreichen Einzel- und Gruppenausstellungen im In- und Ausland präsentiert, darunter u. a. in der Staatlichen Graphischen Sammlung in der Neuen Pinakothek München, im Weimarer Schloss Belvedere und im Senatssaal der Technischen Universität München.
Elke Kruesmann

Klaus von Gaffron
Fotobilder

Klaus von Gaffron
Fotobilder
Eröffnung am Freitag, 07. März 2003, 20.00 Uhr08. März bis 30. März 2003
do – so 14:00 – 17:00 Uhr


Seit 1978 war Klaus von Gaffron als Gründer und Mitarbeiter mehrerer Foren für zeitgenössische Fotografie tätig und organisierte eine Reihe von nationalen und internationalen Fotoausstellungen. 1991 wurde er zum Ersten Vorsitzenden des Berufsverbandes Bildender Künstler München und Oberbayern gewählt.
Geboren 1946 im niederbayerischen Straubing, besuchte Klaus von Gaffron dort das humanistische Gymnasium und studierte danach in München an der Akademie der Bildenden Künste in einer Malerklasse. Was man seinen Arbeiten bis heute ansieht: Selbst dann, wenn sie stark reduziert erscheint, wie in den Arbeiten im unteren Stockwerk, ist Farbe ein konstituierendes Element in seinen Bildern.
In ihrer zurückgenommenen Farbigkeit erinnern sie an die neuen Fotografen der zwanziger Jahre.
Wie diese nutzt Gaffron das Medium Fotografie produktiv, anstatt ein Bild aus der Natur zu reproduzieren. Gaffrons Fotoarbeiten nähern sich extrem dem Wortbegriff: Fotografie = mit Licht zeichnen/malen, nicht abmalen. Folgerichtig nennt Klaus von Gaffron seine Arbeiten Fotobilder, Bilder die das Licht gestaltet. Durch fotografische und nicht durch computertechnische Manipulation entsteht eine neue Realität. Durch Bewegungsunschärfe beim Gegenstand oder bei der Kamera entsteht Dynamik, durch gezielte Verunschärfungen mit dem Objektiv gestaltet Licht reine Farbbilder.Er versucht, sein Motiv über verschiedene Einstellungen und Kamera-Positionen zu erfassen. Eine Schnur, ein Schrank, ein Flugzeug – ein Gegenstand beinhaltet viele Informationen, löst unterschiedliche Empfindungen aus. Klaus von Gaffron versucht, dem Motiv neue Dimensionen abzugewinnen, indem er ihn aus überraschenden Blickwinkeln fotografiert und Verunklärungen zulässt. Seine bevorzugten Stilmittel: Auswahl, Neuordnung und Verdichtung. Sein wichtigstes Werkzeug: das Auge. Und manchmal auch, wie er sagt, ein bisschen Akrobatik.
Die Fotografen der 20er Jahre sahen die Kamera als Hilfsmittel zum objektiven Sehen. Während das menschliche Auge aufgrund seiner Wahrnehmungserfahrung die Dinge immer wieder „ins rechte Licht rückt“, gebe das Objektiv – seinem Namen gerecht werdend – ein „objektives“ Bild wider.
Viele von Gaffrons Bilder dagegen geben nicht mehr den geringsten Hinweis auf die zugrunde liegende „Realität“. Der Betrachter empfindet Nähe ohne Wiedererkennen – vermeintlich Vertrautes wird unsichtbar gemacht.
Durch ihre serielle Präsentation in Form von Reihen und Tableaus verwandeln sich die Werke in eine eigene Wirklichkeit – mit großer ästhetischer Überzeugungskraft.Klaus von Gaffron fotografiert also nicht im abbildenden Sinne des Dokumentierens, sondern setzt gezielt die ästhetischen Möglichkeiten des Mediums ein, und erreicht damit – in einer zeitgemäßen Form – was der Bauhaus-Fotograf Viktor Skovskij schon 1916 forderte: (…) Ziel des Bildes ist nicht die Annäherung seiner Bedeutung an unser Verständnis, sondern die Herstellung einer besonderen Wahrnehmung des Gegenstandes, so daß er ‚gesehen‘ wird und nicht ‚wiedererkannt‘ (…)“

Gerade Gaffrons visuelle Irritationen können uns heute von einem zerstreuten Sehen zu einem bewussten Schauen führen.

Nichts könnte die Notwendigkeit eines solchen bewussten und kritischen Umgangs mit Bildern, zumal medial vermittelten Bildern, deutlicher machen als die augenblicklichen globalen Ereignisse.
Seit dem – bald muss man sagen seit dem ersten – Golfkrieg wird verstärkt und auf breiterer Ebene die Fragwürdigkeit von fotografischer Realität diskutiert. Dort wurde so deutlich wie nie zuvor, wie perfekt Berichterstattung gesteuert wird. In Bosnien wurde klar, dass wir es hier mit einem medialen Prinzip zu tun haben: Die gezeigten Ereignisse werden mehr und mehr zu „media events“, oft eigens für die Kamera danach inszeniert, wie fotogen sie sind. Der anfänglich unterschiedene Gegensatz von Dokumentieren und Inszenieren, Schein und Wirklichkeit wird aufgehoben.

Die Botschaften der Bilder Klaus von Gaffrons dagegen sind nie eindimensional plakativ – sondern assoziativ.
Eine Hand gibt ein Zeichen. Auf dem Rollfeld startet ein Flugzeug. Die Stahlträger eines zerstörten Gebäudes ragen wie Grabkreuze in den düsterblauen Himmel. Die Bewegung auf den Fotos von Klaus von Gaffron ist eingefroren. Trotzdem strahlen seine Bilder eine große Dynamik aus, erinnern an die schnellen Schnitte der Videoclips. Während dort aber die Sequenzen eine zwingende Logik vorgeben, löst Gaffron diese in seinem Tableau auf, stellt sie in überraschende Zusammenhänge und lässt dem Betrachter die Freiheit, diesen Kontext selbst weiterzuführen.
Gaffron setzt sich hier mit einem Thema auseinander, das ihn – neben den Phänomenen „Zeit“ und „Geschwindigkeit“ – seit längerer Zeit beschäftigt: Schutz, Schutzräume. Für jeden Lebensabschnitt, für jeden Beruf, für jede Tätigkeit gibt es Schutzräume, auf deren Unverletzlichkeit Menschen sich verlassen müssen, weil sonst ihre Existenz bedroht ist.
Bereits beim Eingang zum Tableau wird durch die je zweiteiligen Arbeiten links und rechts wie in einem Himmel-und-Hölle-Spiel das Thema formuliert: Das blinde Vertrauen in die Unverletzlichkeit des technisch Machbaren, das Überschreiten von Grenzen und die Realität der Gefahr, des Sturzes. Gerade dieses letzte Bild, das gleichsam zu seiner eigenen Ikone geworden ist, die nicht mehr hinterfragt werden kann, löst Gaffron in seinem 20teiligen Tableau wieder auf.
Indem er die Zerstörung künstlerisch gestaltet, wirft er in dieser Arbeit wieder Fragen auf, etwa die nach der Vorgeschichte des Terrorismus, und bringt die Bilder und die Gedanken assoziativ wieder in Bewegung.

Die beiden Bilder am Treppenaufgang wirken zunächst wie zwei abstrakte, malerische Arbeiten.
Erst im Zusammenhang des Tableaus erschließen sie sich als zeichenhafte Vogelsilhouetten, und geben einen bitteren Kommentar ab zur nahezu magischen Bildergläubigkeit unserer Epoche: Hatte man sie nicht auch an den Glasflächen der beiden Türme angebracht, um Vögel davon abzuhalten, ins Gebäude zu stürzen?

Nach Patrizia Drück versammelt das Schaffen Klaus von Gaffrons ein Spektrum künstlerischer Ansätze und Themenfelder, die sich nicht auf einen einzelnen Kunstbegriff reduzieren lassen. Es handelt sich hierbei im weitesten Sinne um gesellschaftsbezogene Kunstpraktiken: Ob es die Bloßlegung der Mechanismen der Medien und der Werbung, die Untersuchung der sozialen Machtstrukturen oder der Auswirkungen des Zivilisationsprozesses sind, – die Herstellung und Befragung von gesellschaftlicher Wahrheit stellen einen wichtigen Aspekt seiner Arbeitsweise dar.

Und wenn der Schlaf der Vernunft heute wieder veritable Ungeheuer gebiert, haben wir diese Künstler nötiger denn je.
F.S.

Raimund Reiter
Haeuser

Raimund Reiter
Neue ArbeitenEröffnung: Freitag, 17. Januar 2003, 20.00 Uhr18. Januar – 9. Februar 2003
do – so 14.00 – 17.00 Uhr

Führung durch die Ausstellung:
Sonntag, 26.Januar, 15.00 Uhr


Zeit seines Lebens führte mein Vater in seiner Brieftasche ein Foto mit sich, das sein Geburtshaus zeigte und das einzige war, was er mitnehmen konnte, als er nach dem Krieg als 14jähriger aus seiner serbischen Heimat flüchten musste.
Ich habe es ihm manchmal aus seiner Hose entwendet und mit neugierigem Blick untersucht; allerdings eher mit Enttäuschung: Die Qualität des Fotos war sehr schlecht, es war eine zerknitterte, angebräunte Schwarz-Weiß-Aufnahme, die verschwommen und dunkel ein Allerweltshaus zeigte, das wie ein unbeabsichtigter Schnappschuss am Ende eines Films wirkte. Es konnte keine meiner Fragen beantworten – und dennoch habe ich sie mehr als einmal fasziniert betrachtet.
An diese Fotografie musste ich denken, als ich Raimund Reiters Serie der dunklen Häuser zum ersten Mal sah.
Auch diese großformatigen Radierungen wirken wie aus dem Auto heraus fotografierte, nach einem zufälligen Prinzip entstandene Bilder von Orten, die keine geographische Zuordnung erlauben. Diese Ungewissheit wird dadurch verstärkt, dass sich die Motive in der Annäherung auflösen, zur reinen Form werden, und erst wieder erscheinen, wenn man einen Schritt zurücktritt.
Was an Motiven in den Bildern erkennbar ist, erinnert an Fahrten durch endlose Vororte und Randbezirke, an Gebäude, die weder geographisch zu lokalisieren sind, noch in ihren Funktionen identifizierbar oder gar als bergende Behausung erlebbar. Es sind Orte, oder besser Nicht-Orte des Durchgangs, des Transfers, und die durchgehende Unschärfe und das Ausschnitthafte der Bilder verstärken den Eindruck des Flüchtigen, der diesen Bildern anhaftet. Die bildnerischen Mitttel, die Raimund Reiter hier anwendet, sind die der Fotografie oder des Films, seine Technik allerdings ist die der Radierung. Dieses extrem zeitaufwändige Verfahren bewirkt, scheinbar im Widerspruch zu den Bildmotiven, eine Verlangsamung, eine Verlängerung dieses zufäligen Augenblicks; und diese „Slow Motion“ lässt uns noch schmerzhafter erfahren, wie schwierig in einer Zeit inflationärer medialer Bildproduktion eine Schärfung und Fokussierung unseres Blicks geworden ist. So illustrieren diese Radierungen auch das Verschwinden versichernder Bezüge, denen unsere Erinnerung und unsere Wahrnehmung noch vertrauen könnten.
Mit den Mitteln aktueller Bildproduktion, wie Unschärfe, Deperspektivierung und der scheinbaren Zufälligkeit arbeitet Raimund Reiter auch bei der Serie der „dunklen Köpfe“.
Manche sind vom Fernsehschirm abfotografierte „Porträts“, Filmstills aus dem endlosen Malstrom der Kanäle, deren Zufälligkeit aufgeladen wird durch die handwerklich sorgfältige und technisch vollendete Umsetzung in die Radierung.
Andere wirken auf den ersten Blick wie Fahndungsbilder aus dem Fernschreiber, so oft wiederholt, dass die Köpfe sich zu beinahe abstrakten Formen auflösen. Ihre schemenhaften Konturen erscheinen unscharf und flüchtig wie Nachbilder auf der Netzhaut von etwas bereits Gesehenen, Erinnerungen, die schon wieder im Verschwinden begriffen sind, auf die sich der Schatten des Vergehens bereits gelegt hat. Ihre immense Vergrößerung, ihr „Blow up“ enthüllt keine Details, die eine Geschichte erzählen würden, oder die ihre Identität enthüllte.
Ihre Größe steigert lediglich ihre sublime Präsenz, die kein Vorher und kein Nachher kennt.
So bleibt ihnen nur die Gegenwart, der kurze Augenblick ihres Erscheinens, und diese schiere Präsenz verweist auf nichts anderes, schon gar nicht auf eine irgendwie geartete Transzendenz. Sie ist das Erscheinen an sich und all der Widersprüchlichkeit und Widerständigkeit, die sich im Kunstwerk ereignet – und die uns zur Distanzierung von jeder sicheren Sicht der Dinge zwingt.
Und selbst die letzte Illusion einer Identifizierung seiner Bildsubjekte raubt uns der Künstler, wenn wir erfahren, dass einige von ihnen frei hand mit der Bohrmaschine in das Kupfer gefräst wurden.
So stehen wir vor diesen Köpfen und Häusern, möchten sie erkennen, weil sie uns in Erinnerungen verstricken, weil sie unsere Imagination bewegen, möchten uns ihnen nähern und sie betreten, weil sie uns vertraut erscheinen und scheuen zugleich vor ihnen zurück, weil sie uns seltsam fremd sind.Wenn das Bild des Hauses aber, wie Gaston Bachelard meint, dieTopographie unseres intimen Seins ist, so weisen uns Raimund Reiters Arbeiten darauf hin, dass die Stellung des Ich in diesem Haus heute sehr fragil, temporär und kompliziert geworden ist; sowohl das Ich als auch der umgebende Raum sind nur noch flüchtige Momente unserer Weltversicherung. Nicht das Haus ist mehr das Subjekt des Bildes, so dunkel und mächtig es auch erscheinen mag, sondern der flüchtige, distanzierte, manchmal auch suchende Blick darauf und die Hoffnung auf ein kurzes Verweilen darin; ein Ausblick auf unsere Situation im gerade angebrochenen Jahrhundert, dessen Merkmale das Nomadische, das Brüchige und das Flüchtige sein werden. Und „Daraus fügen sich dann Leben, schreibt der serbische Autor Dragan Velikic, die nur noch ein Aneinanderreihen von Tagen zu sein scheinen, wie Zettel in einer Schachtel.“
Läßt sich aus diesen zufälligen, fehlerhaften, losen Zetteln aber noch eine Identität fügen, eine Biographie weben?
Ja, meint Thomas Bernhard, denn „Können Sie sich vorstellen, wie das ist, wenn man sich selbst aufschlägt wie ein Buch und lauter Druckfehler darin entdecken muss, einen nach dem anderen, auf jeder Seite wimmelt es von Druckfehlern! Und alles ist trotz dieser vielen hundert und tausend Druckfehler meisterhaft, eine Aneinanderreihung von Meisterstücken!“Und schöner könnte man die Faszination der bildnerischen Mittel Raimund Reiters auch nicht beschreiben.

Franz Schneider