Edith Plattner | Martin Schneider

Skulptur und Zeichnung


Martin Schneider | Edith Plattner

Skulptur und Zeichnung

27. Juli – 18. August 2013
Eröffnung: Freitag, 26. Juli 2013, 20:00 UhrEinführung: Franz Schneider
Hierzu sind Sie und Ihre Freunde
herzlich eingeladen!

Donnerstag – Sonntag 15:00 – 18:00 Uhr
Führungen auf Anfrage

Feierabendschau:
Montag, 5. August 2013, 18:00 – 20:00 Uhr

mit freundlicher Unterstützung durch
die Stadt Landshut und die Sparkasse Landshut

Edith Plattner
Skulptur und Zeichnung

 

Das Anliegen Edith Plattners ist eine atmosphärische Dichte herbei zu führen, zur Essenz der Dinge vor zu dringen, ohne Spektakularisierung und dabei die Dinge in ihrem Wesen zu belassen. Die Form folgt den Anforderungen des Ortes und einer inneren Bezogenheit zu demselben, zu uns selbst und der uns umgebenen Realität und Erfahrungswelt. Es geht um nichts neues und die Frage bleibt weiterhin: „Warum Einfachheit und Belassen so schwer sind“.

Martin Schneider
Skulptur und Zeichnung

Die Skulpturen von Martin Schneider sind die Resultate eines Ringens um die Form. Ein Ringen, das sich auseinandersetzt mit einem äußerst widerspenstigen Material: Stein – Granit, Marmor und anderen erdgeschichtlichen Hervorbringungen. Martin Schneider ist es aber nicht darum zu tun, eine Form, die – nach alter Dürerweise – im Stein verborgen sein soll, herauszuarbeiten. Ihm geht es vielmehr darum, dem Stein ein äußere Form zu geben, die in einem komplexen und vielschichtigen Prozess entsteht. Es sind konkrete Skulpturen, reine Formen, die genau das bedeuten, was sie erscheinen, und geb´rade das macht sie zu Subjekten der Kunst . Seine Zeichnungen, so ähnlich sie den skulpturalen Arbeiten auch sein mögen, sind dabei keine dienenden Vorstudien, sondern eigenständige zweidimensionale Arbeiten, die den gleichen gedanklichen und bildnerischen Prozess unterliegen wie die plastischen Arbeiten: Es sind gleichsam in die Fläche gewendete, zweidimensionale Skulpturen.

Edith Plattner | Martin Schneider


Die Essenz der Dinge und Ihrer Handhabung

Ein flüchtiger Besucher hätte wohl den Eindruck, als seien die Ausstellungsräume äußerst spröde und sporadisch bestückt, als seien manche dieser Arbeiten eher beiläufig auf dem Boden liegend zurückgelassen – Schlackereste vielleicht oder zufällig entstandene Überbleibsel eines nicht näher bestimmbaren Produktionsprozesses.

Und was den Zufall betrifft, hätte ein solcher Besucher vielleicht sogar Recht – und dann auch wieder überhaupt nicht.

Der Zufall spielt in den künstlerischen Prozessen dieser Ausstellung durchaus eine Rolle; aber weniger der Zufall als ein kontingentes, also weder notwendiges noch unmögliches Ergebnis, sondern als ein in diesen Prozessen sich ereignendes Moment, welches nicht nur zugelassen wird, sondern an bestimmten Schritten sogar gewollt ist und, künstlerisch reflektiert, in den Schaffensprozess einbezogen wird.

Das beginnt bei Martin Schneider schon am Anfang, bei der Auswahl des Steines: Oft sind es Steine oder Steinreste, mit denen ein anderer Bildhauer nichts Rechtes mehr anzufangen weiß.

Martin Schneider beginnt diesen Stein zu befragen, tritt in einen Dialog mit dem Material, welches sich stets als widerständiges und zuweilen geradezu widerspenstiges erweist. In einem langen Arbeitsprozess ringt er mit den sich entwickelnden Formen, deren Struktur sich im Widerstand zu den polygonalen Molekularstrukturen des Gesteins herauszubilden beginnt. Dem harten Material mutet so mehr und mehr eine organische Haptik und Formensprache an; die Skulpturen wirken wie Mehrzeller, die sich evolutiv eine adäquate, auf Schlüssigkeit und ästhetische Stimmigkeit bezogene Form bahnen.

Das geschieht in vielen Zwischenschritten, wo eine Masse sich erst noch wegduckt, bevor sie vom Künstler hervorgeholt wird, sich aus der Mitte wölbt und das fragile Verhältnis der Einzelformen soweit dehnt, dass sich an einer anderen Stelle ein Gegengewicht entwickeln muss. Zufall und künstlerische Reflexion treten dabei in einen stetigen Austausch – denn jedes Verhältnis der einzelnen Ausbuchtungen, Teilkörpern, Rundungen und Höhlungen zueinander ist ein ins Äußerste getriebene und kann in jedem Augenblick kippen, vielmehr abbrechen, und dies in einem durchaus auch wörtlichen Sinne: So berichtet Martin Schneider von einem Bildhauersymposium in Pertolzhofen bei Heiko Herrmann: „Nur ein Haarriss und die Steinskulptur brach auseinander. Eine Woche Arbeit umsonst. Das Werk liegt unterm blühenden Rosenstrauch am Boden.“

Ähnlich erging es dem Künstler mit dem Stein aus Carrara-Marmor. Dieses Ringen vergleicht Martin Schneider mit einem Schachspiel: „Man macht einen Zug und hat eine bestimmte Strategie. Dann bricht eine Ausbuchtung ab. Nun muss eine neue Entwicklungs-Linie gefunden werden. Kaum hat man sie, bricht ein weiteres Stück ab; das führt erneut zu einer Umorientierung, zu neuen Suchbewegungen, ein neuer Spannungsbogen wird geklopft.

Manchmal ist das gar nicht so schlimm, wenn man den Stein neu entdecken kann.“

Bis zum Ende, bis zur fertigen Skulptur, wird dieses Spannungsverhältnis zwischen künstlerisch reflektierter Arbeit und nicht vorhersehbaren, aber miteinkalkulierten Reaktionen des Materials anhalten. Die Skulptur ist dann schließlich ein fragiler, aber schlüssiger und stimmiger Endzustand eines evolutiven Prozesses. Sie ist ein unerhörtes ästhetisches Angebot an den Betrachter: Sie bietet sich dar als konkrete, reine Skulptur, die in einer sinnlich erlebbaren Spannung bleibt zwischen dem meist anorganischen Material und dem Verhältnis der organischen Formen zueinander. Und sie beinhaltet in diesem haptischen und visuellen Angebot zugleich die evolutive zeitliche Dimension, die ihren Entstehungsprozess dem reflektierenden Nachvollzug durch den Betrachter anbietet. Dies allerdings setzt einen Betrachter voraus, der, parallel zu den betrachteten Objekten, „das Subjekt ist, das sich selbst produziert“ wie Guy Debord in seinem Essay „Die Gesellschaft des Spektakels“ fordert. Die Erwartung einer passiven Begegnung mit einem Oberflächenreiz erfüllen diese Arbeiten nicht.

Dies trifft in einem noch höheren Maße auf die Arbeiten Edith Plattners zu. Auch sie arbeitet mit einem sehr ursprünglichen Material, dem Ton. Doch alles, was man landläufig und insbesondere in einer traditionellen Töpferstadt wie Landshut mit diesem Werkstoff verbindet, das Schmückende, Dekorative, Verspielte, ja sogar das vordergründig Nützliche, spielt hier keine Rolle.

Edith Plattner interessiert das Einfache und die reduzierte Form. Diese wird nach einfachen Gestaltungsprinzipien hergestellt: Eine handelsübliche Packung Ton beispielsweise wird durch wenige Schnitte in neun gleich große quaderförmige Blöcke zerteilt, die wie Module weiterverarbeitet werden.

So bilden je drei aneinander gereihte Quader einen Körper, der wie ein mit der Axt geschlagenes Vierkantholz wirkt. Die unregelmäßig glatten Oberflächen werden in Kauf genommen und dienen als gestaltende Merkmale. In einer „Jenga“-artigen Verschachtelung bilden sie einen blockhaus-ähnlichen Turm, der sich in der Mitte des oberen Galerieraums aus den sie umgebenden bodennahen Skulpturen emporhebt. Damit mögliche Assoziationen nicht zu glatt funktionieren, sind manche Block-Enden vor dem Brennen in Porzellan getunkt, so dass störende Elemente auftauchen.

Die gewählte Höhe lässt zu, dass der Betrachter noch über ihren oberen Rand blicken kann. So kippt dieses Gebilde zwischen Möglichkeiten von Turm und Schacht, zwischen oben und unten, lässt Durchblicke zu und formuliert im Grunde ein Dazwischen, welches in einem steten Spannungsverhältnis von Harmonie und ihrer gleichzeitigen Störung lebt. Es ist weder reine, konkrete Plastik noch abstrahiertes Wirklichkeitszitat. Vielmehr kondensiert in seiner Mitte etwas, von dem sich beide speisen: eine atmosphärische Verdichtung, die durch das Material- und seine In-Form-Bringung, seine Handhabung, das Stapeln, Aufreihen, Verschränken, Schichten entsteht und genau auf dieses verweist: auf die Essenz der Dinge und ihres Gebrauchs.

Die Form des Arrangements dieses skulpturalen Gebildes ist eine denkbar einfache und wiederholt sich als Fragestellung in den anderen keramischen Skulpturen: Wie viel Bearbeitung, wie viel gestalterischer Eingriff, wie viel Behandlung ist nötig, um zu einer schlüssigen, überzeugenden inspirierenden Form zu gelangen? Sind einfaches Biegen, Drehen, Falten, Spreizen genug? Geht es vielleicht gerade im Sinne einer Beschränkung um das vollkommene, konzentrierte Beherrschen dieser einfachen Handgriffe und Tätigkeiten? Kann deren präzise Handhabung auch das Material seinem alltäglichen Zweck entreißen, seinem gängigen Gebrauch als Mittel für vorgefertigte Inhalte und einsträngige Botschaften?

Edith Plattner hat für eine Ausstellung einen Film gedreht, der ihre Großmutter bei Handhabungen beobachtet. Wichtig dabei war ihr, wie sie sagt, „die Erkennbarkeit von unumstößlichem, konzentriertem Handeln, ‚wie etwas von der Hand geht’. In diesem Tun liegt Zärtliches, Flexibilität, Bildhauerisches.“

Dieses konzentrierte Suchen ist auch in ihren Zeichnungen wiederzufinden. So frei und zufällig diese auf den ersten Blick wirken, wie Tagebuch-Notate, wie Skizzen von Begegnungen, Erlebnissen, Gedanken, so konsequent und sensibel sind sie in ihrer formalen Entwicklung: Edith Plattner reagiert auf Fehler oder zufällige Strukturen im Papier, entwickelt die Zeichnung Strich für Strich, formt einzelne Gewichtungen durch Farbakzente.

Allerdings fließen in diese konkretistischen Setzungen aus Kugelscheiber, Filzstift, Lack und Bleistift in dem langen, wiederholten Bearbeitungszeitraum ihrer Entstehung Fragmente, ja Moleküle von erlebter, reflektierter, assoziativer oder auch nur atmosphärischer Wirklichkeit mit ein.

Daraus entstehen beinahe surreale Brüche und Widersprüche, die nicht geordnet oder auch nur assoziativ gerichtet werden, sondern allein dem konzentrierten künstlerischen Gefüge untergeordnet werden. Die Zeichnungen bleiben oft über einen längeren Zeitraum unvollendet. Erst später werden sie wieder hervorgeholt, um daran weiter zu arbeiten oder sie zu vollenden.

In ihren zeichnerischen wie bildhauerischen Arbeiten werden immer wieder vorgegebene Gefüge aufgebrochen zu einem oft wuchernden Geflecht aus Bedeutungen. Sie umkreisen den Gegenstand, nähern sich ihm vielfältig an, in einem Spiel von Berührung und Abstand, das ihn in Bewegung bringt – eine assimilierende Bewegung des Erblickens und Erblickt-Werdens, die für Sartre das Verfahren der Liebe ist.

Ähnliches gilt auch für den Bildhauer Martin Schneider. In seinen Zeichnungen lässt er den Betrachter diese Annäherung an den Gegenstand nachvollziehen.

Seine Zeichnungen sind keine Vorskizzen zu seinen Skulpturen. Sie sind vielmehr eigenständige Auseinandersetzungen mit formalen Fragestellungen, die sich in einer anderen Dimension oft leichter weiter entwickeln lassen.

Auch hier geht es um die perfekte Handhabung: An einer Serie, die sich mit der immer gleichen Form beschäftigt, wird dies deutlich. So wirkt die erste noch suchend und tastend, während die letzte in wenigen Minuten entstanden ist: „Es war, als wäre sie mir aus der Hand geflossen“, sagt Martin Schneider.

So sehr diese Ausstellung also auf jegliches Spektakel im Sinne Guy Debords verzichtet, so spektakulär ist sie: Ihre bewusste, beinahe schon schmerzhafte Reduktion auf das Wesentliche erinnert an den Satz von André Gide, der über das klassische Altertum erzählt:

„In Griechenland wurden jene geächtet, die der Lyra eine Saite hinzufügten.“

Edith Plattner und Martin Schneider können auf all diese Überflüssigkeit verzichten. Sie reißen der Lyra noch eine Saite aus.

Arcosanti revisited
Feierabendschau mit Johann Haslauer


Arcosanti revisited

Montag, 5. August 2013, 18:00 Uhr

Arcosanti, das ist das utopische städtebauliche Projekt Paolo Soleris im Wüstenhochland von Arizona. Sein Ziel war, zu beweisen, dass urbanes Leben im Einklang mit der Umwelt möglich sei. Bereits von 1986-1988 nahm Johann Haslauer in Workshops und Arbeitsaufenthalten an diesem Projekt teil. Er dokumentierte dies in der Ausstellung „Amerika – drei Ansichten“ 1987 in der Galerie am Maxwehr.
Johann Haslauer war nach 26 Jahren nochmals dort und berichtet in der Feierabendschau der Neuen Galerie vom Stand der Dinge nach dem kürzlichen Tod des Begründers, des italienischen Städtebau-Visionärs Paolo Soleri.
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