Michael von Brentano

Skulptur und Installation

Eröffnung: Freitag, 02. März 2007, 20 Uhr
Einführung: Franz Schneider

Ausstellungsdauer: 03. März – 01. April 2007
Do – So 14 – 17 Uhr

Führung durch die Ausstellung:
So, 25. März und So, 01. April, jeweils 15:00 Uhr

Abb.: Friedliches Stück, (Detail),2004, Eichenholz, Seidenblumen,160 x 28 x 18 cm (Fotografie: Siegfried Wameser, München)

Betritt man diese Ausstellung im ersten Stock, so ist man zunächst etwas irritiert: Diese Objekte bestehen aus Versatzstücken dessen, was unsereins mit Kitsch bezeichnen würde – Rehlein, künstliche Seidenblumen, Vergoldungen; Banales, wie wir es aus den Souvenirläden des bayerischen Touristenorte kennen

Zugleich aber übt die besonders sorgfältige Behandlung des bildhauerischen Materials, in das diese Versatzstücke eingearbeitet sind, eine Faszination aus und einen großen ästhetschen Reiz. Ja es ist vielleicht gerade dieser Kontrast, diese Kombination aus Kunst und ja – Natur- und vielfach gebrochenen Naturbezügen, die uns festhalten, fesseln und irritieren zugleich.

Gehen wir in den zweiten Stock, so treten wir in der Entwicklung dieser Arbeiten zugleich chronologisch zurück als auch verstehend näher. Hier gewährt uns der Künstler Michael von Brentano einen Einblick in seine Verfahrensweise, ja in seine künstlerische Haltung.
Was auf den ersten Blick wie ein verlassenes Basislager einer Expedition wirkt, erlaubt uns einen Blick auf die Arbeitsweise des Bildhauers.

Tatsächlich ist die Arbeit Michael von Brentanos eine forschende, schauende, erfahrende, und dann auch sammelnde und archvierende. Seine Objekte, wie die im ersten Stock, sind dann der Ertrag und die künstlerische Bearbeitung von Naturbegehungen. Er beobachtet mit fremdem Blick die uns scheinbar vertraute Natur und nimmt Details wahr, die dem eingewöhnten Blick entgehen.
Dabei ist es kein naturwissenschaftliches Interesse, die seinen Blick auf die Schichtungen, Strukturen und Objekte lenkt. Es ist eher ein kontemplatives, stilles Spurensammeln, ein Akt des Verstehens der Landschaft – und damit auch der Heimat, der Idylle, der seelischen Landschaft – durch die sinnliche Erfahrung ihrer Mikrostrukturen. (Abgießen, Abdrücke, Fotos…)

Im Lager des Bildhauers zeigt uns das kleine Tischchen eine Sammlung von Funden, drei Stapel von Schwarzweißaufnahmen, von Augen-Blicken, die fotografisch festgehalten wurden, teils von ihm selbst, teils aber auch aus bestehenden Archiven entnommen. Sie zeigen Menschen vor Landschaften, Landschaften ohne Menschen und Landschaftsstrukturen. Daneben finden wir Abgüsse scheinbar alltäglicher Funde – abgegossene Elemente aus der oberbayerischen Landschaft, ein Kuhfladen, ein zwieseliges Stammstück einer Fichte und Astgabeln in Form von Schwemmholz.

Wobei es auf die Kategorien ankommt, nach denen gesammelt wird, und bei Michael von Brentano betreffen sie die sinnliche und ästhetische Aneignung von Landschaft und deren künstlerische und damit distanzierende, durchaus auch hin und wieder ironisierende Verarbeitung und Aufbereitung.

Nun kommen wir ja bereits mit den Eindrücken aus dem unteren Stock herauf und haben die Bilder der ungewöhnlichen Gegenstände im Kopf, die an den Wänden hängen, also Herzen mit Hirschgeweihen oder vergoldeten Schweineschnauzen unter einem Glassturz. Auch hier befindet sich in einem Glassturz ein Herz, auf dessen Außenhaut sich der Abdruck eines Edelweißes befindet. Das mag in der Tradition dadaistischer Montagen stehen, gerade wir Landshuter aber fühlen uns dabei auch an die Kunst- und Wunderkammer auf der Burg erinnert, also an die Sammlung von Raritäten und Kuriositäten eines Renaissance-Fürsten.

Natrülich war dessen vorwissenschaftlicher sammelnder Blick, der Naturalien wie Artefakte gleichermaßen sammelte, nicht unverstellt, sondern verdeutlichte ein allegorisches Verständnis von Natur, das stark von dem Bildrepertoire der Bibel und der antiken Mythologie geprägt war.
Das sollte uns heute aber nicht mit einer unbegründeten Überheblichkeit erfüllen: Auch unser heutiger Blick auf die Natur ist von vielen Stereotypen verstellt – wir haben eine bestimmte Vorstellung von Natur, und entsprechend fassen wir sie auf – und verkennen dabei die „Natur“ des Betrachteten. Der schwarze Kasten, auf der Staffelei könnte dafür sinnbildlich sein: Sein Loch lässt Licht auf die weiße Innenwand fallen, es entsteht möglicherweise ein diffusses Bild, wie bei einer Camera Obscura. Dieses Bild wenn wir aber zu betrachten versuchen, verdeckt unser verstellender und verstellter Blick das einfallende Licht und wir erkennen nur Dunkelheit.

Kunst- und Wunderkammern werde heute nicht mehr angelegt.

Mit der Entwicklung der neuzeitlichen Wissenschaft übernahmen andere Begriffe und Theorien die Kategorisierungen des Sammelns, bevor die Natur als Sammelobjekt mit der sie beherrschenden Industrialisierung und Technisierung mehr und mehr an Bedeutung verlor. Heute ist uns Natur das Verlorengegangene, Projektionsfläche unserer Wehmut und der Verklärung – und, mehr und mehr, trotz oder wegen aller Kulturierung – Ort und Zustand der Bedrohung.
So führt uns die große Schwarz-Weiß- Projektion Michael von Brentanos nicht nur dessen Arbeitsfeld und Vorgehensweise vor Augen, wir können nicht nur dem Künstler bei seiner Sammelarbeit begleiten, den Blick seines Schauens auf Pflanzen, Wasser, Wälder durch die Kamera einnehmen. Hin und wieder erscheint der Künstler selbst im Bild, von einer anderen, fremden Hand gefilmt, und die Schnitte, die Direktheit, die Bewegtheit der Handkamera lassen den Ort des Geschehens selbst fremd erscheinen, bedrohlich wie einen blair witch forest, der weit entfernt ist von einer reinen, bechnittenen Idylle.

Aber verlassen wir dieses Basislager des Bildhauers, in das wir beinahe wie zufällig eingedrungen sind und durch das wir uns wie durch eine vertraute und zugleich fremde Landschaft bewegt haben. Während wir hier (dort) eine hochkomplexe und in ihrer Reduzierung auf die Nichtfarben Schwarz und Weiß auch ästhetisch hochkonzentrierte Reflexion des Bildhauers über die Grundlagen seiner Arbeit vor uns haben, treffen wir im unteren Stock auf die Objekte, die aus dieser konzeptuellen künstlerische Arbeit dann durch Verfremdung, ästhetische Aufladung und Poetisierung entstehen.

Fundstücke aus der Natur werden bearbeitet, gefärbt, neu geformt und kombiniert – oder es werden Naturformen in fremdem Material imitiert. So ist das „friedliche Stück“ eine geradezu unglaubliche Kombination aus einem einer großporigen Bodenstruktur edel nachgebildeten Stück Eichenholz und einer Serie billiger Seidenblumen, in der sich Kitsch und Kunst zu einem still oszillierenden Feld des Nachdenkens über Natur verbinden.

Dabei ist es nicht so, dass im „friedlichen Stück“ der Begriff der Idylle mit seinen emotionalen Werten wie Natur, Heimat, Tradition vom Künstler diskreditiert werden würde. Im Gegenteil: Die Rehlein auf dem mit künstlichen Blumen übersäten, eine sanfte gewellte Landschaft bildenden Stück Edelholz sprechen uns an und zielen über unsere Stereotypen und vorgefassten Bilder von Natur auf unseren emotionalen und sentimentalen Erinnerungsspeicher und setzen ihn frei. Wobei auch der Begriff Sentimentalität hier nicht wertend gemeint ist: Sentimentalität, sagt Graham Greene treffend, nennen wir die Gefühle, die wir nicht teilen.

Für uns sind diese Gefühle äußerste Preziosen, die uns bezaubern, die unsere persönlichen Wunderkammern füllen, die uns wieder mit der Natur verbinden.

Michael von Brentano gibt diesen Naturverbindungsobjekten – die uns also mit der Natur verbinden, die aber auch in ihrer surrealen Montage verschiedene Aggregats- Begriffs- und Materialzustände von Natur miteinander verbinden – er gibt ihnen diese Preziosität wieder zurück, indem er sie unter Glasstürze setzt, wie Devotionalien behandelt, eine Kunst- und Wunderkammer nach seinen eigenen, neuen Kategorien aufbaut.

Dabei verbinden sich in den künstlerischen Neuschöpfungen intellektuelle Ironie und surreale Magie zu faszinierenden Montagen und Mutationen, die durch poetische Titel wie: „Die glücklichen Tage sind vorbei“ oder „Damals, als alles noch in Ordnung war“ eine weitere assoziative Ebene eröffnen. Nicht zuletzt weisen diese Titel die Sprache als ein weiteres schöpferisches Mittel und als Material der Selbstreflexion in der Kunst Michael von Brentanos aus. Im Lager des Bildhauers dient das Igluzelt, das eine Bespannung aus Malerleinwand trägt, als Schutzhülle für einen Videofilm, in dem der Künstler selbst in Form eines Brustporträts zu sehen ist und sich bei jeder Sequenz um 90 Grad weiter um sich selbst dreht. Zu jeder Sequenz spricht er markante Aufforderungen an den Betrachter, wie z. B. „Sprechen Sie laut und deutlich“ oder „Diese Rede können Sie so nicht im Raum stehen lassen“. Es handelt sich um sehr plastisch wirkende, sprachliche Ausdrucksformen, die aber leicht zu Stereotypen, zu Floskeln verkommen können. Auch hier also besteht wieder die Gefahr, dass etwas Lebendiges und Flüssiges erstarrt.

Und dieses Offenhalten der Grenze zwischen dem Lebendigen, Natürlichen und dem Erstarrten, ist das künstlerische Feld, wo sich der Künstler Michael von Brentano bewegt, an der Grenze oder in dem freien Raum zwischen Gewachsenem und Hergestelltem, zwischen poeisis und techne, die sich in der künstlerischen Arbeit zu etwas Drittem vereinen können, was wir heute hier sehen, und was keiner Worte mehr bedarf.

Facebook