in Wirklichkeit
Scarlet Berner | Manuel Heyer
Do – So 15:00 – 18:00 Uhr
Karfreitag geschlossen; Ostermontag geöffnet
Scarlet Berner | Manuel Heyer
in Wirklichkeit
zur Eröffnung der Ausstellung
am Freitag, 30.März, 20 Uhr
sind Sie und Ihre Freunde
herzlich eingeladen
Do – So 15 – 18 Uhr
Führungen auf Anfrage
Feierabend-Schau mit Kurzfilmen von Manuel Heyer: 16. April ab 18:00 Uhr
Scarlet Berner
Regeneration
(alle Bilder Auflage 5)
Scarlet Berner
http://www.scarletberner.de/
Manuel Heyer
in Wirklichkeit
(alle Arbeiten Giclée Prints Auflage 6)
Manuel Heyer
http://www.manuelheyer.de
in Wirklichkeit
Wenn wir in eine Ausstellung mit Fotografien besuchen, die die Wirklichkeit im Titel trägt, so erwarten wir vermutlich realistische, detailreiche Darstellungen einer Wirklichkeit, die sich uns bis in die letzten Winkel ausleuchtet und mit größtmöglicher Transparenz offenbart.
Doch worauf treffen wir hier: Auf großformatige Fotografien von, nun ja, Landschaften auf mattem Papier, die sich weder durch erhellende Tiefenschärfen noch durch glänzende Oberflächen präsentieren; vielmehr zeichnen sie sich aus durch diffundierende Flächen, unterschiedliche Schärfepunkte, Schatten und Spiegelungen, welche weniger glänzen als vielmehr matt schimmern oder eher noch phosphoreszieren.
Auch die Titel geben keine detaillierten Informationen: „Gischt“, „Meer“, „Nebelsee“ oder gar nur „Elemente“ erlauben keine geographische, ja nicht einmal eine topographische Identifizierung, verweisen auf keinen wiederauffindbaren Ort. Und tatsächlich scheinen diese Landschaften, die sich eigentlich nur noch aus dem Zusammentreffen von Wasser und Wolken definieren, diese atmosphärischen Verdichtungen oder nebelhaften Erscheinungen aus fernem, schattigen Grau, wie Erinnerungen, die hinter den matt- weißen Lichtspiegelungen auftauchen wie flüchtige Schatten auf einem durchscheinenden, vom Wind geblähten Segel.
Und doch dringen sie wie ein atmosphärischer Klang in den Resonanzraum unseren inneren Bildgedächtnisses und evozieren dort eine beinahe schmerzhafte Verdichtung – so als träfen und verhakten sich beim Vorrücken eines Magazins zwei Diapositive im Lichtschacht und ließen eine Wirklichkeit aufscheinen, die aus dem Zusammentreffen von zwei verschiedenen Bildeindrücken eine neue, dichtere und gleichsam gültigere, sozusagen eine Wirklichkeit zweiter Ordnung entstehen ließe.
Dass dieser Eindruck entstehen kann, liegt tatsächlich an einer vergleichbaren Vorgehensweise des Künstlers, bei der allerdings weniger das zufällige Aufeinandertreffen von gespeicherten Bildeindrücken, als vielmehr der forschende, suchende künstlerische Dialog den Vortrieb des Magazins und das Aufeinandertreffen der Bilder hervorruft.
Ausgangspunkt von Manuel Heyers dialogischen Bildschöpfungen sind Aufnahmen des Künstlers, die teilweise schon in den 70er Jahren entstanden sind, die im Bildarchiv des Künstlers gespeichert waren, und die er dann in den letzten Jahren wieder hervorgeholt hat, um sie mit aktuellen Aufnahmen zu konfrontieren, sie zu befragen, auf Resonanzen zu lauschen, und Aspekte in ihnen wahrzunehmen, die sich erst aus der zeitlichen Distanz heraus vom Motivischen lösen lassen: Das fotografische Ereignis, das Abbild wird dann solange einer Entmaterialisierung unterzogen, mit Mitteln der Verunschärfung, der Verdunklung, der Reduktion, bis das reine Substrat, die Essenz des Bildes oder auch nur eines Aspektes des Ganzen aufscheinen.
Wo dann zunächst vielleicht noch eine Bergsilhouette, ein Wolkengekräusel war und auf eine Ahnung von Landschaft verwies, bleibt am Ende nur noch die Intensität der ausgedünnten Farbe oder des Lichts. Diese Intensitäten, diese Farbigkeiten sind in den Bildern ja ursprünglich schon angelegt, aber sie sind noch verschlossen. Wie in einer Epiphanie öffnen sie sich nur dem langsamen Betrachten. Gerade die Distanz, das Ungreifbare, die mangelnde Taktilität, die diese Bilder dem Betrachter gegenüber einnehmen, provozieren und ermöglichen ein verweilendes Betrachten. Dadurch schaffen sie Nähe, wo die Distanzlosigkeit eine solche vernichten würde. Diese Nähe ist reich an Raum, an Bild-Raum; paradoxerweise ist ihr also zugleich eine Ferne eingeschrieben, die es für den Betrachter auszuhalten gilt.
Dieser „Schmerz der Nähe der Ferne“, wie es Heidegger ausdrückt, wird erlebbar in den Bildern der Reihe „Transit“: Lassen diese zunächst diffuse, wie durch eine Scheibe aufgenommene Ansichten von ephemeren Landschaften erkennen, so führen die Lichtbänder, welche die rechte obere Bildkante schneiden, zurück in einen Innenraum, der trotz seiner angenommenen Bewegung im Blick nach draußen stillzustehen scheint. Diese widersprüchliche Doppelung von innen und außen, Bewegung und Stillstand wird nun durch verschiedene bildnerische Verfahren zugleich verstärkt und aufgelöst. In der Kombination des Positivs mit seinem Negativ, die leicht gegeneinander verschoben werden, erscheint die Essenz des Bildes in einem dunklen Grau, welches aber von einer derartigen Intensität ist, dass das Bild gleichsam von innen her, ohne jede äußere Lichtquelle, zu phosphoreszieren beginnt. Dass es sich dabei auch der Anmutung einer Daguerrotypie nähert, zeigt, dass dieser Realismus, der im Titel steckt, sich immer auch in einer langen und dialogischen Bildtradition stehend versteht und diese auch immer wieder befragt.
Dies trifft in einem ganz besonderen Maße auch auf die fotografischen Arbeiten von Scarlet Berner zu. Wenn wir in den oberen Stock gehen, dann bewegen wir uns gleichsam von der Erde in die Wolken; gleich die erste Fotografie am Treppenaufgang fungiert wie eine Exposition der folgenden Bilder: An den im rechten Winkel zueinander verschränkten Bildrändern ist erkennbar, dass auch Scarlet Berner in ihrer Bildreihe mit dem Titel „Regeneration“ mit kombinatorischen Verfahren ihre Fotografien befragt, verdichtet und akkumuliert.
Ein Verfahren, das nicht erwarten lässt, was uns nun begegnet: eine äußerst luftige, offene und atmende Situation, in welcher der von ihr gestaltete Raum einen Teil des künstlerischen Konzepts bildet.
Auch Scarlet Berners Ausgangspunkt sind ältere, bereits vorhandene Bilder, aber nicht eigene, sondern solche, die sie vorfindet, auf die sie stößt, in Katalogen, in Zeitschriften oder im Internet. Dabei können dies aktuelle Bilder ebenso sein wie Bilder, die bereits vor hundert Jahren entstanden sind.
Was sie dabei interessiert ist eine ähnliche Suchhaltung, eine gemeinsame Bildtradition, die sich in der Auswahl und der Behandlung der Motive, des Blickpunkts oder des Bildausschnitts manifestiert.
Initialzündung der Reihe „Regeneration“ war eine Fotografie, die sie bei einer ihrer täglichen Touren durch den Englischen Garten machte. Zuhause fiel ihr ein Auktionskatalog mit einer Aufnahme in die Hände, welche eine verblüffend ähnliche Bildschöpfung aufwies. Daraufhin begann sie, mit Hilfe aufwendiger Verfahren, die Reproduktionen fremder, gefundener Fotografien mit eigenen Bildmotiven zu überlagern, zu wiederholen, in einem lauschenden Dialog zu überschreiben.
Dabei ist es für sie nicht wesentlich, ob es sich nun um einen bekannten Fotokünstler wie Albert Renger-Patzsch handelt oder um einen Foto-Amateur, dessen Bilder sie befragt; es geht um das Erkunden und Entdecken einer gemeinsamen Tradition des Bildermachens, um das wiederkehrende Aufgreifen von Motiven, von denen man angerührt ist. Seien es nun Wolken, Wasser oder Licht, Geäst oder Pflanzliches, gemeinsam ist die spürbare Zuwendung zum Sujet, welches eine Bedeutung im Leben des Fotografierenden besitzt; so etwa die Aufnahmen des Weinbauern Alfred Kotsch, der alles fotografierte, was mit seiner Arbeit in der Natur zu tun hatte und darin seine Liebe zu allem, was ihn umgab, zum Ausdruck brachte.
Bilder machen wird so verstanden zu einer liebevollen, verweilenden Handlung, die weit entfernt ist von der hyperaktiven und distanzlosen Sichtbarmachung, welche uns täglich affiziert. Indem Scarlet Berner diese anderen Bilder mit ihren eigenen in einem dialogischen Erforschen befragt, nach Verwandtschaften des Blicks sucht und – jenseits aller intellektueller Konzepte – nach ihrem Berührtsein vom Naturerleben, schafft sie einen neuen Imaginationsraum, der diese Bildtradition, in die sie sich stellt, bejaht und zugleich überschreitet. Und dieser Imaginationsraum übersteigt den Raum des Bildes: Wenn sie ein vorgefundenes Negativ und eine eigenes Positiv überlagert, so heben sich deren weißer und schwarzer Bildrand auf und verbinden sich zu einem diffusen Grau, welches sich an die Wände des Galerieraumes ergießt. Dieses Grau wird zum poetischen Projektionsraum für die inneren Bilder des Betrachters, wenn er sich von dem verweilenden Blick der Künstlerin berühren lässt. Dann wird dieses scheinbar langweilige Grau, wie Walter Benjamin schreibt, „ein warmes, graues Tuch, das innen mit dem glühendsten, farbigsten Seidenmuster ausgeschlagen ist.“
Dieses Seidenmuster ist als Futter einer Wirklichkeit eingenäht, die in ihren Falten das Aufscheinen einer untergründigen Wahrheit bereithält, welches die glänzenden Oberflächen der heutigen Hyper-Transparenz nur suggerieren.
In Wirklichkeit spiegelt eben ein realistisches Kunstwerk nicht einfach die wirkliche Welt wieder, sondern verdeutlicht die Wirklichkeit einer Idee oder einer Vorstellung.
Wie Arabesken wirken die Wolken auf den aktuellen Fotografien der beiden Künstler.
Sie sind ein faszinierendes, flüchtiges Element, welches sich ständig erneuert, das sich stets wandelt und doch immer wiederkehrt. Es setzt uns in eine zeitliche Verbindung mit denen, die sie vor uns betrachtet haben, und vermittelt uns eine melancholische Ahnung von steter Erneuerung und Transformation aus der Erinnerung – oder, wie Scarlet Berners Bildreihe titelt: „re-generation“.
Die Arbeiten von Scarlet Berner und Manuel Heyer schaffen in ihrem bildnerischen Echoraum eine spürbare Substanz der Zeit, die uns auf Distanz hält und uns den raschen Genuss versagt.
Nach Marcel Proust erscheint die Schönheit einer Sache erst viel später im Licht einer anderen Erinnerung. „Schön ist nicht der augenblickliche Glanz des Spektakels, der unmittelbare Reiz“, sagt der Freiburger Philosoph Byung-Chul Han, „sondern das stille Nachleuchten, die Phosphoreszenz der Zeit. Erst nachträglich enthüllen die Dinge ihre duftende Essenz der Schönheit. Die Schönheit besteht aus den temporalen Schichtungen und Ablagerungen, die phosphoreszieren.“
Insofern ist diese Ausstellung eine wunderbare Befragung und Hervorrufung der Schönheit.
F. Schneider
Feierabendschau
Kurzfilme von Manuel Heyer – NonStop
Herzliche Einladung
Kurzfilme von Manuel Heyer – Nonstop
(Nonstop-Vorführung bis ca. 21:00 Uhr)
mit Kurzfilmen von Manuel Heyer
laden wir Sie herzlich ein.
Der Eintritt ist frei.
Für Getränke erbitten wir einen Unkostenbeitrag.
Näheres entnehmen Sie bitte dem Flyer. (Siehe Download)