KLAUS VON GAFFRON Fotobilder
PAULA LEAL OLLOQUI Raumbezogene Arbeiten
4. März – 26. März 2017
Do – So 14 : 00 – 17 : 00 Uhr
Hold it without ripping it – Klaus von Gaffron und Paula Leal Olloqui in der Neuen Galerie Landshut
Bereits vor mehr als 30 Jahren hat er eine der ersten Ausstellungen in der damaligen Galerie am Maxwehr bestritten und hat seither mehrmals in der Neuen Galerie Landshut ausgestellt. Gaffron, der sich auch als Kurator und als erster Vorsitzender des Berufsverbands BBK München und Oberbayern einen Namen gemacht hat, ist für seine charakteristische Form der experimentellen Fotografie bekannt.
Was seine Fotobilder charakterisiert, ist, dass sie tatsächlich eher wie Tafelbilder, wie in sich gekehrte Tableaus wirken, die eigentlich kein Gegenüber brauchen, die vielmehr in einer in sich versunkenen Verschlossenheit anwesend sind.
Bei Gaffron ist alles Erzählerische eliminiert; wir finden nichts Gegenständliches oder Figuratives, auch wenn wir immer den Eindruck haben, wenn man nur scharf genug schaute, dann würde man das Dargestellte schon noch erkennen.
Tatsächlich sind ja seine Motive Alltagsgegenstände, die er allerdings bis zur Auflösung der Formen verfremdet.
So steht am Anfang also etwas, was man realistisch nennen könnte, sozusagen ein Bild-Ausschnitt von Welt; dies wird aber beim Akt des Fotografierens soweit reduziert, verunklärt und abstrahiert, dass alles Wiedererkennbare abhanden kommt. Bei Gaffron geschieht dies nicht in der digitalen Nachbehandlung auf dem Computer, sondern durch „analoge“ Techniken während des Fotografierens, durch Ausschnitt, extreme Nähe, Bewegung, Unschärfe.
Es ist also weniger die technische und elektronische Manipulation, sondern der horchende Blick des Fotografen im Bildakt selbst, der dann Bilder von einer Welthaltigkeit zeugt, die nichts mehr repräsentieren, und die gerade dadurch eine Präsenz erzeugen, die völlig unvermittelt wirkt – beinahe wie das Erscheinen von etwas, das sich wie ein Fotogramm direkt auf dem empfindlichen Papier abdrückt und das so flüchtig wirkt wie der blitzende Moment, in dem ein kleiner Helligkeitsunterschied auf der Netzhaut im Augenwinkel wahrgenommen wird.
In diesem Moment scheint sich eine dünne äußerste Schicht von den Dingen zu lösen, die nicht mehr das Objekt selbst in sich trägt, sondern bestenfalls eine Erinnerung daran – eine Erinnerung, die dabei ist, zu entschwinden.
In den letzten Serien, die in der Ausstellung zu sehen sind, treibt er diese Auflösung beinahe bis zum Äußersten, so dass nur noch vereinzelte Lichtpunkte in monochromen Flächen zurückbleiben, oder gar nur die reine Farb-Oberfläche selbst. Man fühlt sich an konkrete Malerei erinnert, in der die Farbe an sich zum Inhalt wird, doch sind es bei Gaffron die völlig immateriellen Phänomene von Licht- und Farberscheinung, die sich auf den Bildträger legen, so ephemer wie ein Atem-Hauch auf einem Spiegel.
Selbst die Bildtitel scheinen in dieser Auflösung befindlich zu sein, bestehen sie doch nur noch aus Wortfragmenten, die wie das Verschwinden einer Sprache anmuten oder an das Entstehen einer solchen.
Und entsprechend sind diese Bilder labile Aggregatszustände des Verschwindens ebenso wie solche des Erscheinens. Sie sind geistig und zugleich ziemlich handfest, denn bei aller Immaterialität des Lichts beziehen sie sich immer auf einen realen Gegenstand, der am Anfang des Bildprozesses steht.
Und deshalb haben wir es auch nie mit rein monochromen Flächen zu tun. Manchmal verströmt sich das Schwarz an den Rändern in ein dunkles Purpur, manchmal gibt es auch nur leichte Temperaturunterschiede, die auf eine Lichtquelle außerhalb des Bildes verweisen. Immer bleibt der Wahrnehmung des Betrachters überlassen, ob er sich auf die Tiefe dieser Bilder einlässt oder ob er sich mit deren Oberfläche zufrieden gibt.
Einer zugegeben sehr delikaten Oberfläche. Auch auf der Ebene funktioniert diese Ausstellung, ja es ist verblüffend, wie sehr die Arbeiten beider Künstler auf ganz unterschiedlichen Ebenen interagieren, welch breite Assoziations- oder besser: Anmutungsspielräume sie eröffnen.
Paula Leal Olloqui, geboren 1984 in Madrid, studierte dort Bildhauerei und ging dann nach München, wo sie zuletzt bei Olaf Metzel ihr Diplom machte – und den Debütantenpreis gewann. Paula Leal Olloquis Arbeiten sind unmittelbar für den besonderen Ort des Gotischen Stadels im Dialog mit den Fotobildern Klaus Gaffrons entstanden.
Als wir am vergangenen Montag die Materialien – die Spanplatte, die Latten, die Schaumstoff- und Holz-Reste – aus dem Transporter ausluden, waren gerade Bauarbeiter beim Rauchensteinerhaus beschäftigt. Sie machten uns höflich Platz, damit wir diese Dinge zu ihrem Altwaren-Container bringen konnten und schauten uns etwas überrascht zu, als wir sie jedoch zur Galerie transportierten.
Diese „armen“ Materialien“ waren von der Künstlerin gezielt ausgewählt und vorbereitet, um skulpturale Installationen zu schaffen, welche auf die Arbeiten von Klaus Gaffron und vor allem auf die beiden Räume des Gotischen Stadels Bezug nehmen, mit ihnen interagieren und sie zugleich neu interpretieren, ja in bestimmter Weise auch verändern.
Und wirklich, wenn man ihnen nun wieder begegnet, haben sich diese einzelnen Bestandteile und Materialien in ihren komplexen, labilen Arrangements völlig verändert, sind vom Material zur Skulptur geworden.
Nun könnte man einwenden, dies sei nicht erst seit Duchamps so, dass zu Kunst wird, was der Künstler macht bzw. was auf einem Sockel respektive in einem Ausstellungsraum präsentiert wird.
Dann geht man allerdings in den zweiten Stock, in diesen offenen und weiten Raum, und ist vom ersten Eindruck gefangen genommen. Dieser wirkt nicht wie üblich als ein Ausstellungsraum, sondern wie eine Inszenierung, in der alles aufeinander Bezug nimmt.
Dabei sind die einzelnen Objekte aus ganz wenigen, einfachen Bestandteilen gefertigt. Zwei Balken, spitz aufeinander zulaufend, darauf zwei Metallstangen, welche wie ein Rahmen eine Holzplatte halten, die sich wie ein Bogen darüber spannt. In der Mitte des Raumes, aus der Zentralachse verschoben, ein einfacher Lattenrahmen, teilweise verschraubt, teilweise mit Tape verklebt, welcher ein paar Schaumstoffteile aufnimmt, auf denen ein textile Gebilde zu liegen kommt, welches durch Gips in eine permanent geschwungene Form gebracht wurde.
Und am Anfang des Raumes, zunächst nur von der Rückseite her zu sehen und damit auch gleich ihre Kulissenhaftigkeit preisgebend, eine konkave Form, die von einer mit Abdeckfolie bespannten Spanplatte gebildet wird. Man könnte auch sagen: Baldachin, Liege, Hohlspiegel und würde damit klassische oder klassizistische Standardformen der Repräsentation von Würde, Hoheit, ja Heiligkeit aufzählen. Die purpurne Fläche des Fotobildes von Klaus Gaffron tut ein Übriges, und es fällt schwer, sich von dem Gedanken zu trennen, hier stünde man vor einem leibhaftigen Zitat eines Bildes von Jacques-Louis David oder Ingres.
Doch bei aller Freiheit der Assoziation wäre man hier auf einem Holzweg. Die Bezüglichkeiten sind deutlich immanenter und holen uns zurück in den Raum, für den diese Arbeiten geschaffen wurden: Das gewählte Material greift immer wieder auf das Material des Gotischen Stadels zurück, zitiert es jedoch jeweils mit leichten, präzise gesetzten Verschiebungen.
Das konkave Objekt etwa besteht aus dem gleichen Material wie die Seitenwände; in seiner Gebogenheit eignet es sich allerdings nicht für die Aufnahme von Bildern.
Die Balken des gotischen Baus finden wir wieder in der Bogenskulptur; und wenn wir in Gedanken das Objekt um 90° drehen, meint man fast, ein grobes Modell des Stadels selbst vor sich liegen zu haben.
Im unteren Stockwerk wiederum scheint das beleuchtete kastenartige Objekt eine humorvolle Bezugnahme zur Küchenzeile zu bilden…
und schon sind wir wieder in den bildhaften, inhaltlichen Assoziationsfeldern und koppeln unsere Wahrnehmung zu schnell mit unseren eigenen Bild- und Erinnerungsspeicher.
Schauen wir nochmals etwas genauer hin, dann sehen wir und spüren wir, wie die wenigen, aber gezielt platzierten Konstruktionen den Raum in Bewegung bringen. Das Bogenobjekt öffnet sich präzise aus der hinteren Ecke in den Raum, dieser Bogen mündet in eine wellenartige Verwerfung in dem liegenden Objekt und wird aufgefangen von der konkaven Form am anderen Ende des Raumes. Diese konkave Form korrespondiert mit der konvexen Biegung des Baldachins, bekommt aber durch die Umhüllung mit der Abdeckfolie eine ganz andere, materielle Anmutung von Glanz und Weichheit
Was die alle Arbeiten verbindet, ist die Labilität ihrer Konstruktion. Die konkave Form etwa ist nur mit einem winzigen Holzkeil zwischen die Fugen des Dielenbodens gespannt. So manches scheint gefährdet wegzurollen, sich zusammenzufalten, umzustürzen. Und doch hält die innere Spannung.
Hin und wieder suggerieren manche Skulpturen eine – uns sich nicht erschließende – Funktionalität, manchmal nehmen auch Teile von Skulpturen beinahe funktionale Bedeutung an: Die verschieden verschatteten Flächen der geometrischen Kasten-Form etwa treten nur durch den Einsatz einer Leuchtstoffröhre zu Tage, die zugleich impliziter Bestandteil des Objektes ist.
Ähnliches gilt für die Wandhalterungen oder Gestelle der Betonröhren, die zwar diese Röhren wie für einen ganz bestimmten Zweck in einem besonderen Winkel halten sollen, der sich aber wiederum dem Betrachter nicht erschließt.
Wir sollten unseren Blick deshalb nochmals etwas schärfer auf die einzelnen Objekte richten.
Und da geben uns die Titel der Arbeiten verblüffend klare Hinweise. So lautet derjenige für das letztgenannte Objekt: „Vier verlängerte Kreise in Bewegung, die sich zusammenschließen in wohldefiniertem Winkel“
Wir müssen also nicht außerhalb der Skulptur suchen: Genau das ist es, was hier vor sich geht, und was unsere Augen und unsere Vorstellungskraft nachvollziehen können.
Bei aller scheinbar beiläufigen, zunächst wie zufällig anmutenden Erscheinung der Skulpturen: Material, Form, Konstruktion und Konstellation sind die stets präzise definierten Determinanten dieser installativen Arbeiten. So auch bei der zweiteiligen Skulptur an Wand und Boden: „Dreidimensionale geometrische Zusammensetzungen, hart und vertikal, einer dreidimensionalen geometrischen Zusammensetzung weich und horizontal gegenüber gestellt, die sich ausdehnen und im Zwischenraum zwischen beiden Formen sich treffen.“
In ihrer so klar und doch so offen definierten Beschaffenheit und ihrer labilen Konstruiertheit entwickeln diese Skulpturen eine Dynamik, die sich zunächst in ihrem Inneren anbahnt, die dann aus ihnen heraus strebt, so dass sie zueinander – und zum Raum – in eine tänzelnde Bewegung geraten und dadurch auch unsere Wahrnehmung, wenn wir diese Bewegung mitmachen, in Schwingung versetzen.
Für alle Arbeiten in dieser Ausstellung jedenfalls gilt es, unserer unverstellten Wahrnehmung zu vertrauen, zum Sichtbaren zurückzukehren und uns dem sinnlich Erfahrbaren zu öffnen. Wenn dann unsere Assoziationen ins Taumeln geraten und mit uns durchgehen – bitteschön.