Bärbel Praun | Tao Yini

Fotografie


BAERBEL PRAUN / TAO YI-NI
Fotografien
Eroeffnung: Freitag, 13. Juli 2007, 20 Uhr
Ausstellungsdauer: 13. Juli – 5. August 2007
Do – So 15 – 18 Uhr

 

Baerbel Praun
gruß & kuss die berge sind schön


Gebirgslandschaften, in meisterlicher Tiefenschärfe fotografiert, sind das Sujet von Bärbel Prauns Ausstellungsbeitrag. Die Gebirgslandschaft ist bei ihr eine auf Distanz gehaltene Kulisse. Eine sensible Annäherung an die Natur ist heute durch die Reisegeschwindigkeit nicht mehr möglich. Auch sind die Berge zu sehr mit Klischees, mit der Vorstellung von Idylle und der Sehnsucht nach Bergheimat besetzt, dass all das stärker ist als die Wirklichkeit und man nicht mehr weiß: was ist echt – was ist unecht?

Ähnlich ergeht es dem Betrachter der Gebirgsfotografien von Bärbel Praun: Zunächst entspricht vieles unserem gewohnten, klischeebeladenen Blick, gleichwohl umfängt einen eine beunruhigende Stimmung, die zur Bestimmtheit wird, wenn man feststellt, dass diese erschlossenen und übernutzten Landschaften völlig menschenleer sind. Das Gebirge wird zum Projektionsraum für die innere, geträumte Landschaft.
Bärbel Praun wurde 1978 in Landshut geboren und studierte Fotografie & Medien an der Fachhochschule für Design und Gestaltung in Bielefeld . Die Arbeiten in der Neuen Galerie Landshut zeigte sie erstmals auf der Photokina 2006; außerdem wurde die Arbeit „gruß & kuss die berge sind schön“ in der Online-Ausgabe der Zeitschrift GEO vorgestellt.

 

Tao Yini
Fotografie


Auch Tao Yinis Bilder beschäftigen sich mit klischeehaften Erwartungen, mit Distanz und Nähe und der Frage nach einem universalem Heimatbegriff. Vor postkartenhaften, „typisch deutschen“ Hintergründen platziert sie Chinesinnen in deren landestypischer Kleidung, die dort seltsam deplaziert und beheimatet zugleich wirken. Kleine Genre-Szenen in Hotelzimmern und anderen anonymen Nicht-Orten verstärken den ambivalenten Eindruck von routinierter Vereinnahmung des Raumes und der trostlosen Aussichtslosigkeit dieses Vorgehens.

Tao Yini wurde 1978 in Kunming,YunNan,China geboren. Sie studierte am YunNan Fine Arts Institute, Department in Sculpture. Von 2000 – 2003 lehrte sie am Fine Arts Deparment der Tibet Unversity.
Von 2003 – 2007 studierte sie in Berlin und Dresden.

 

 

Eröffnung
Bärbel Praun | Tao Yini

Zwei junge Künstlerinnen zeigt diese Ausstellung, die eine sehr unterschiedliche Biographie aufweisen: Bärbel Praun wurde 1978 in Landshut geboren und studierte Fotografie & Medien an der Fachhochschule für Design und Gestaltung in Bielefeld . Die Arbeiten in der Neuen Galerie Landshut zeigte sie erstmals auf der Photokina 2006; außerdem wurde sie als Nachwuchskünstlerin in der Online-Ausgabe der Zeitschrift GEO vorgestellt.
Tao Yini wurde 1978 in Kunming,YunNan,China geboren. Sie studierte am YunNan Fine Arts Institute, Department in Sculpture. Von 2000 – 2003 lehrte sie am Fine Arts Deparment der Tibet Unversity.
Von 2003 – 2007 studierte sie in Berlin und Dresden Fotografie und Neue Medien.

Denoch- die Künstlerinnen verbindet mehr, als das gleiche Geburtsjahr und die Tatsache, dass sie die Fotografie als künstlerisches Medium gewählt haben:
In unterschiedlichen Kontexten und auf verschiedene Weise ergründen sie das Spannungsfeld von Vertrautem und Unvertrautem, von Fremdem, Heimatlichem, zuweilen auch Heimlichem und Unheimlichem. Beide suchen das scheinbar Naheliegende und Vertraute und dennoch so Fremde auf, forschen darin nach Spuren der Aneignung oder legen sie sogar selbst. Dabei befinden sie sich auf einem Pfad, der vielfältige kunstgeschichtliche und historisch-ethnographische Vorgehensweisen reflektiert und zu einer heute gültigen Aussage formuliert.
So erscheinen die Gebirgslandschaften Bärbel Prauns auf den ersten, flüchtigen Blick als reisefotografische Dokumente, die nur noch bereits Bekanntes bestätigen und all unsere Klischeevorstellungen der Berge erfüllen. Je länger wir aber diese Bilder betrachten, umso mehr entziehen sie sich unseren Gewissheiten, unseren gewohnten Wahrnehmungen, und hinterlassen eine wachsende Verunsicherung.
Allerdings, die Wahrnehmung der Gebirgslandschaft, wie wir sie heute verstehen, als Ort der unberührten Natur, als ein zu erobernder und zugleich Ursprünglichkeit und Geborgenheit vermittelnder Ort, ist keine schon ewig Gültige, sondern eine Erfindung des 18. Jahrhunderts, also der Romantik, die bis heute unsere Sicht sowohl des Gebirges als auch der Fremde überhaupt prägt.
Schon damals aber waren die Reisenden in ihren Wahrnehmungsmustern vorgeprägt durch Vorstellungen, Wunschbilder und Images. So schrieb Goethe nach seiner Ankunft in Italien: „Alle Träume meiner Jugend seh’ ich nun lebendig… wohin ich gehe, finde ich eine Bekanntschaft in einer neuen Welt“. Der Dichter und seine reisenden Zeitgenossen interessierten sich vor allem für das antike Italien – jedoch kaum für das Land der Gegenwart – und benutzten so die Fremde als Folie für eigene Projektionen.
Vor einer Reise steht auch heute stets die Fiktion. Während einer Reise hat dann das Wiedererkennen zentrale Bedeutung, selten geht es darum, etwas vollständig Neues zu entdecken. Man sucht die romantischen Traum- und Sehnsuchtsmotive, die nur zustande kommen, wenn man die zivilisatorischen Störfaktoren ausschaltet.

Dabei ist der moderne Massentourismus Vermittler dieser Motive und Störfaktor zugleich.
Bärbel Praun großformatige Gebirgsfotos setzen sich mit dieser Ambivalenz auseinander. Die Gebirgslandschaft ist bei ihr eine auf Distanz gehaltene Kulisse. Eine sensible Annäherung an die Natur ist heute durch die Oberflächlichkeit der Rezeption und die Reisegeschwindigkeit nicht mehr möglich. Auch sind die Berge zu sehr mit Klischees, mit der Vorstellung von Idylle und der Sehnsucht nach Bergheimat besetzt, dass all das stärker ist als die Wirklichkeit und man nicht mehr weiß: was ist echt – was ist unecht?
Ähnlich ergeht es dem Betrachter der Fotografien von Bärbel Praun: Zunächst entspricht vieles unserem gewohnten Blick, werden unsere Seherwartungen erfüllt. Doch schnell entsteht eine beunruhigende Stimmung, eine Irritation, die zur Bestimmtheit wird, wenn man feststellt, dass diese erschlossenen und übernutzten Landschaften völlig menschenleer sind. In Bärbel Prauns dokumentarischen wie inszenierten Gebirgsszenen sind nur die Schatten der Menschen anwesend: zivilisatorische oder vielmehr touristische Spuren wie Bänke, Tische, Absperrungen, Fernrohre, Hotelterrassen, gespurte Loipen, Werbeschilder. Die Menschen selber, die aus so touristisch besetzten Orten wie Saas Fee nicht wegzudenken sind, fehlen. Dabei sind Bärbel Prauns Fotografien keine im Computer generierten Manipulationen, sondern analoge dokumentarische Inszenierungen, die die Ambivalenz unseres Verhältnissses zu solchen symbolisch überbesetzten Orten wie den gefährlichen und unberechenbaren Bergen verdeutlichen.
So ist Bärbel Prauns Kunst genau das Gegenteil der gängigen Reisefotografie: Zwar fotografiert auch sie überwiegend allgemein definierte Sehenswürdigkeiten, romantische Sehnsuchts – oder Traummotive, doch wo in der Reisefotografie dabei die zivilisatorischen Störfaktoren elimiert, durch Ausschnitte oder Unschärfe ausgeblendet werden, dort wählt Bärbel Praun das Panorama und die unglaubliche Tiefenschärfe, um gerade diese zivilisatorischen Störfaktoren mit ins Bild zu nehmen. Insofern geht kulturgeschichtlich weniger eine Linie zu Goethe und seine italienreisenden Zeitgenossen, sondern vielmehr zu Alexander von Humboldt, für den die Fotografie ein geeignetes dokumentarisches und ethnographisches Mittel jenseits der Schrift war, um gerade zivilisatorische Wahrnehmungen in schriftlosen Gesellschaften, zu der sich ja auch die unsere mehr und mehr entwickelt, zu dokumentieren.
Doch Bärbel Prauns Fotografien als ethnographische Dokumente zu beschreiben, würde ebenfalls zu kurz greifen. Denn als künstlerisches Surplus erzeugen diese Bilder beim Betrachter eben diese Irritation, die – trotz der unübersehbaren Präsenz seiner Zeugnisse – durch die vollständige Abwesenheit des Menschen in dieser überbesetzten Landschaft erzeugt wird. So entstehen grandiose Inszenierungen, deren einziges manipulatives Mittel die Wahl von Stand- und Zeitpunkt sind.

Auch Tao Yini’s Fotografien sind analoge Inszenierungen. Im unteren Geschoss ist ein Bild zu sehen, das auf ironische Weise Bezug nimmt auf eine typische Pose, die zumindest deutsche Touristen gerne einnehmen. Die Reisefotografin Marily Stroux berichtet davon: „Ich hab’ mal vier Fotoalben einer älteren Dame angeschaut. Auf allen Bildern standen sie und ihre Handtasche. Nur der Hintergrund war immer unterschiedlich. Im letzten Fotoalbum war sie alt und offensichtlich im Altersheim, ließ sich aber weiterhin mit ICH-WAR-DA-Fotos festhalten.: Diese ICH-WAR-DA-Pose diente während eines ganzen Lebens als Mittel zu Selbstvergewisserung, auch und vor allem in der Fremde. Dieses Verhältnis zwischen dem Vertrauten, dem Gewohnten, und dem Fremden und Unvertrauten ist in vielen Arbeiten Tao Yinis präsent.
Zunächst wirken viele ihrer Arbeiten wie touristische Schnappschüsse, aber immer wieder muss der Betrachter stutzen: über ein Kleidungsstück, eine Geste, einen Gesichtsausdruck, der irritierend und befremdlich wirkt. Während Schnappschüsse eher zufällige Produkte sind, wirken die Figuren-Konstellationen in Tao Yinis Bildern geplant und erinnern an Bilder alter Meister. Tatsächlich sind die Bilder präzise gebaute, durchkomponierte Arrangements, in denen jede Pose,jeder Gesichtsausdruck, jedes Ausstattungsstück im Hinblick auf die Gesamtwirkung genauestens inszeniert ist.
Tao Yinis Bilder beschäftigen sich mit klischeehaften Erwartungen, mit Distanz und Nähe und der Frage nach einem universalem Heimatbegriff. Vor postkartenhaften, „typisch deutschen“ Hintergründen, wie Fußgängerzonen, Domen, Telefonzellen plaziert sie Chinesinnen in deren landestypischer Kleidung, die dort seltsam deplaziert und beheimatet zugleich wirken. Der eurozentrische Blick auf das Fremde kehrt sich um, das Fremde nimmt die Betrachterrolle ein. In einer ironischen Brechung unserer derzeitigen Angst, von Asien wirtschaftlich kolonisiert zu werden, finden wir in einigen dieser Bildern das typische Verhalten britischer Damen der upper-class in den asiatischen Kolonien des vergangenen Jahrhunderts wieder: der 5 o’clock tea in blasierter Haltung, für den die fremde Umgebung nur Kulisse bildet, und selbst die Landeskleidung, die man trägt, ist nur Zitat.
Zugleich sind diese Bilder auch eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem ambivalenten Gefühl der Fremde, für das der Romantiker Adelbert von Chamisso in seinem Roman „Peter Schlehmils wundersame Reise“ eine wunderbare Formel gefunden hat. „Wunderbar,“ sagt Schlehmil, „veränderliche Länder, Fluren, Auen, Gebirge, Steppen, Sandwüsten entrollten sich vor meinem staunenden Blick: Es war kein Zweifel, ich hatte Siebenmeilestiefel an den Füßen.“ beschreibt Schlehmil dieses Aufbruchs-Gefühl, das beinahe euphorisch den scheinbaren Gegensatz von beengter Nähe und befreiender Ferne, zugleich auch von bergender Heimat und unbehauster Fremde formuliert. Doch zeigt Chamisso, dass dieser Gegensatz keiner ist, dass diese Gleichung nicht aufgeht, sondern seltsame Querverbindungen eingeht: So ist Peter Schlehmil selbst Quelle von Heimlichem und Unheimlichem, sich selbst und anderen fremd: Man weicht vor ihm zurück, als man erkennt, dass er keinen Schatten hat.
Für diese Schattenlosigkeit, die auf den fehlenden festen Ort verweist, den der Schatten braucht, um zu existieren, hat Tao Yini Umgebungen gewählt, die der französische Philosoph Marc Augé „Nicht-Orte“ nennt, also Orte mit einer schwachen symbolischen Markierung, Orte, die überall gleich aussehen. Viele ihrer dramatischen, traumhaften Szenen spielen an solchen Nicht-Orten, auf Treppenaufgängen, in anonymen Hoteleingängen und austauschbaren Pensionszimmern.
Diese Orte verstärken den ambivalenten Eindruck von routinierter Vereinnahmung des Raumes und der trostlosen Aussichtslosigkeit dieses Vorgehens. Dabei geschieht die Vereinnahmung durch Versatzstücke des Vertrauten, welche in einigen Bildern geradezu Fetisch-, also Ersatzcharakter annehmen, sowie durch Einnehmen emotionsloser Posen gepflegter Langeweile – erkauft wird sie durch eben diesen Verzicht auf Emotionen, mit Schattenlosigkeit.
So wirken bei Tao Yini die Menschen in all ihrer Präsenz seltsam abwesend, während sie bei Bärbel Praun bei aller Abwesenheit erstaunlich gegenwärtig sind.
Beiden gemeinsam ist, das es ihnen gelingt, die merkwürdige Fremdheit der Heimat und das seltsame Verlangen nach Behaustsein in der Fremde künstlerisch schlüssig und in all ihrer Vielschichtigkeit zu thematisieren, ein Spannungsfeld, das Ernst Bloch sehr viel genereller fasst, wenn er Heimat als etwas beschreibt, „das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war.“ Ein aussichtsloses Verlangen also, der Ursprung wohl allen Reisens, aller Sehnsucht und allen Heimwehs. Uns bleibt nur, diese Aussichtslosigkeit zu akzeptieren, vielleicht mit der Feststellung von Karl Valentin: „In der Fremde ist der Fremde fremd.“

F. Schneider

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