Cheng Chang Wei

Shadow (Video-Projektion)

Cheng Changwei (geb. 1973 in Qujing) arbeitet in den Medien Skulptur und Video. Würde man von den Tätigkeiten, die er in seinem 2003 entstandenen Video mit dem Titel „Shadows“ ausübt, könnte man zu dem Schluss kommen, dass er vornehmlich konzentriert in einem chinesischen Buch liest und in einem Atelier an der Modellierung von Büsten aus Ton arbeitet. Wesentlich ist nicht die Tatsache, dass er diese geradezu archaischen Tätigkeiten kognitiver und manueller Bildung ausübt, sondern vor welchem zeit- und mediengeschichtlichen Hintergrund. Dessen forcierte Totaldurchdringung der privaten und öffentlichen Lebenswelten aus überwiegend kommerziellen Interessen bis hin zur Ununterscheidbarkeit zwischen gelebter Realität und inszenierter Medienwelt, dessen Lust an Konsum, Sexualität, Gewalt, Totalzerstörung, Mutation, Exzess und Selbstinszenierung zieht in einer durchlaufenden, übergangslosen Überblendung innerhalb der Videosequenz in grellen Farben, Schriftfetzen und lauten Geräuschen hinter Cheng Changwei vorbei. „Das Leben des infamen Menschen“ (Michel Foucault), das auf Videobändern, CDs und DVDs greifbar ist bildet die Folie vor der sich Cheng Changwei selbstbewusst als Künstler positioniert. Verarbeiten kann man alle diese Eindrücke nicht. Man kann sie zusammentragen, schneiden und in eine Ordnung bringen, in deren zeitlicher Folge sich die zugrunde liegenden, urmenschlichen Themen und Lüste in ihrer Stosskraft ausbalancieren. Es geht nicht um Revolte, Manifeste und Pamphlete, sondern um die konkrete Suche nach dem Umgang mit dieser Flut ohne Kraftverschwendung, auf dass sich die pragmatischerweise notwendige Ruhe wieder einstellen kann, die man zum individuellen Weiterarbeiten und zur Selbstbehauptung in einer gesellschaftlichen Umbruchszeit innerhalb Chinas braucht, deren Ende noch nicht absehbar ist.

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