FORSTER | PRAUN | ZILTZ

JENNY FORSTER_malerei
BÄRBEL PRAUN_fotografie
PIO ZILTZ_mixed media
ERÖFFNUNG AM FREITAG, 19. APRIL 2013, 20:00 UHR
EINFÜHRUNG: URSULA BOLCK-JOPP_kunstverein landshut
AUSSTELLUNGSDAUER: 20. APRIL – 12. MAI 2013, DO – SO 15 – 18 Uhr

JENNY FORSTER_malerei

Jenny Forsters Malerei entwickelt sich über einen längeren Zeitraum hinweg innerhalb eines Prozesses zu einem Bildraum, in dem sich malerische Gesten und Flächen mit zeichnerisch-linearen Konstruktionen verschränken.
Die Natur dient ihr dabei gleichsam als „Arbeitsmaterial“, das aufgebaut, abgetragen, überarbeitet, verworfen und wieder neu gefunden wird.
Der stete Wandel der Erscheinungen wird im Bild selbst nachvollzogen – oder um mit Per Kirkeby zu sprechen „im Bild wird eine der Natur adäquate Sprache“ gefunden.


http://www.jenny-forster.de/

„Auf welche Weise haben sich Menschen im Laufe der Kulturgeschichte ein Bild von der Welt gemacht und wie machen sie dies heute?“ überlegt Jenny Forster und zeigt, dass man dies heute u.a. mit dem Tafelbild sehr wohl noch kann. Ihre – zugegeben ehrgeizigen – Fragestellungen nach Werden und Wandel in der Welt will sie formal wie inhaltlich in bildnerische Formen umsetzen.

Ihre Malerei entwickelt sich „über einen längeren Zeitraum hinweg zu einem Bildraum, in dem sich malerische Gesten und Flächen mit zeichnerisch-linearen Konstruktionen verschränken“, wie sie selbst sagt. Kartenmaterialien, naturwissenschaftliche Zeichnungen, sogar astronomische oder physikalische Modelle fließen in die Bilder mit ein. Dies wird vor allem bei den kleinen Mischtechniken offensichtlich.

Für die großen Formate dienen ihr Naturbeobachtungen gleichsam als „Arbeitsmaterial“, das aufgebaut, abgetragen, überarbeitet, verworfen und wieder neu gefunden wird. Zeichnung, Übermalung, Collage, Décollage: Die Abreiß-Spuren auf einem Bild im oberen Stockwerk machen diese palimpsestartige Vorgehensweise besonders deutlich. Es handelt sich bei Jenny Forsters Arbeiten grundsätzlich um Mischtechniken, sie verwendet Acryl- und Ölfarbe, Tusche und Bleistift.

Zwischen den Naturelementen meint man bisweilen gebrochene Betonpfeiler und deren rostige Armierungen, die trostlos in den Himmel ragen, zerborstene Rohre, Schlammlawinen, Eiszapfen, fast endzeitliche Szenarien zu entdecken. Doch ist dies nicht zwingend; Jenny Forster will dem Betrachter keine Warnung vor Kriegen und Umweltzerstörung aufdrängen. Ich verstehe einige ihrer Werke so, die Bilder können aber auch ganz anders gelesen werden. Vielschichtigkeit ist ein Qualitätsmerkmal von Kunst, das sah auch die Jury des Kunst- und Gewerbevereins Regensburg so:

Vergangenes Jahr hat Jenny Forster neben dem Bildhauer Stephan Fromberger den Preis für Künstler unter 40 Jahre gewonnen. Ab nächster Woche ist sie in der Galerie der Künstler in München vertreten bei „Die ersten Jahre der Professionalität“. Dort zeigt sie gewaltige Formate von 3m Höhe, Fotos davon liegen in einer Mappe aus. Ab Mai hat sie ein DAAD-Stipendium für Island. Ich habe die naturwissenschaftlich so interessierte Jenny Forster gefragt, was sie von den Elfen und Feen dort hält: Sie sieht das entspannt, bei dem Higgs-Teilchen weiß man ja auch nicht so genau, ob es wirklich existiert!

(Ursula Bolck-Jopp)

BAERBEL PRAUN_fotografie

Bärbel Braun zeigt in der Neuen Galerie Teile ihrer Arbeit „HOME_82“ von 2012: Fotografien von gefundenen Hütten im Wiener Wald und einer von ihr  selbst gebauten Hütte.
Die grundsätzlichen Fragen, die sich in diesen Arbeiten stellen, sind: in welcher Beziehung steht der Mensch zu Raum? Wie wird ein Ort existent?
Ergänzt werden diese Fotografien durch zwei großformatige, vielteilige Arbeiten der Serie „maps“, Luftaufnahmen aus dem Flugzeug, grob vergrößert und stark an google map-Darstellungen erinnernd. Wieder stellt sich die Frage: wo steht das Individuum, wie stellen sich Nähe und Distanz eines Raumes dar?


http://www.baerbelpraun.de/

Kritische Bestandsaufnahme ist B?rbel Prauns Angelegenheit. Sie kennen Arbeiten von ihr bereits von einigen Pr?sentationen hier in der Neuen Galerie, aber auch in der Regierung von Niederbayern war 2009 eine Werkauswahl zu sehen. F?r ihre Serie ?Gru? und Kuss, die Alpen sind sch?n? packte sie ihre Kamera genau dann aus, wenn Touristen sie wegstecken: Wenn Nebel heraufzieht, der sch?ne wei?e Schnee sich in gr?ulichen Matsch verwandelt, wenn Lawinenverbauungen, 8er-Sessellifte und geschmacklose Schih?tten die Aussicht versperren.

Menschlichen Eingriffen in die Natur ganz anderer Art sp?rt B?rbel Praun in ihrer neuen Serie Home_82 nach. 2012 fand sie im Wiener Wald verstreut einige H?tten, jede f?r sich auf sehr unterschiedliche Art konstruiert. ?ber deren Erbauer und Zweck bekam sie kaum Auskunft- sie werden nicht f?r Tiere genutzt, sind zu perfekt, um nur Spielplatz von Kindern zu sein, innen sind sie aufger?umt und sauber, wie leerstehende Appartments. Trotz des Ger?chtes, dass diese H?tten tats?chlich von illegalen Arbeitern bewohnt werden, hat sie nie jemanden dort angetroffen. Dennoch hatte B?rbel Praun, wie sie sagt, das permanente Gef?hl, auf privatem Boden zu stehen.

Die geheimnisvollen H?tten, die vielleicht einfach nur von handwerklich geschickten Unbekannten aus Langeweile errichtet wurden, ver?ndern den Wald, obwohl keine waldfremden Materialien eingebracht wurden. Der Spazierg?nger ist irritiert, die H?tten sind neu bzw. geh?ren da nicht hin, geben R?tsel auf, machen vielleicht sogar Angst: Wenn da nun doch einer herauskriecht?

B?rbel Praun hat die Waldh?tten fotografiert. Eine davon hat sie selbst gebaut und mit einer bunten Decke eingerichtet. Das ?82? im Titel war die Appartementnummer von B?rbels tempor?rer Unterkunft in Wien, wo sie ein Arbeitsstipendium hatte. Das ?Home? macht klar, worum es geht:
?Wohnst du noch oder lebst du schon?? – ?Wieviel Haus braucht der Mensch?? Die Gedanken schweifen weiter zu Problemen wie Obdachlosigkeit, Migration, aber auch zu dem h?ufig beruflich geforderten Ortswechsel in unserer globalisierten Welt, sowie den selbstverst?ndlichen Fernreisen des modernen Menschen.

Wenn wir besagte Fernreisen im Flugzeug unternehmen und das Gl?ck haben, einen Fensterplatz zu ergattern, haben wir nicht nur eine sch?ne Aussicht, sondern erfahren die grenzenlose Freiheit ??ber den Wolken?, die Reinhard Mey einst besungen hat samt der Tatsache, dass ?was uns gro? und wichtig erscheint pl?tzlich nichtig und klein? wird.
Kitschiges Lied, aber wahrer Inhalt, der auch stimmt, wenn die Wolkendecke aufrei?t. Von oben betrachten wir das irdische Rattenrennen um Geld und Ruhm tats?chlich etwas gelassener.

Mittlerweile m?ssen wir gar nicht mehr in ein Flugzeug steigen, um die Welt von oben zu betrachten. Google Map bzw. Google Earth liefern Luftaufnahmen, meist von besserer Qualit?t als die eigenen Fotos aus dem Flugzeugfenster. Das ist mitunter ganz praktisch, wenn man zu Hause am Computer sehen will, was einen am Urlaubsort so erwartet.

Andererseits ist es gespenstisch: Von manchen Gegenden bekommt man Aufnahmen von unglaublicher Detailsch?rfe geliefert, jedes Fenster ist zu erkennen, manche Bilder erh?lt man fast in Echtzeit, da hat also gerade ein silberner Audi vor Hausnummer 82 geparkt! Das ist gruselig, das toppt alle Big Brother – Visionen der Vergangenheit.

B?rbel Praun zeigt an dieser Wand eine eigene Luftaufnahme, die sie in einzelne St?cke parzelliert hat, um das Google-Raster darzustellen mit all seinen Facetten, der interessanten Seite sowie der erschreckenden, der gro?en Freiheit einerseits, der unheimlichen Kontrolle von oben andererseits. Und wir sind wieder bei B?rbel Prauns Hauptthema, den Eingriffen des Menschen in die Natur, die den ganzen Erdball ?berziehen.

Ursula Bolck-Jopp

PIO ZILTZ_mixed media

Die komplexen, verschachtelten plastischen Arbeiten von Pio Ziltz setzen sich aus diversen Materialien und Themen zusammen; sie wirken auf den ersten Blick kaum überschaubar, bilden Hybride aus natürlichen und technoiden Formen und formulieren so einen Ort jenseits der Normen der Logik.


http://www.flachware.de/pio-ziltz/

Pio Ziltz setzt sich unter anderem mit seiner Geburtsstadt Landshut auseinander. Doch liefert er keine Verneigung! Er stört sich eher an der „Gotischen Stadt“, die sich so herausschleckt für die Touristen, die so schmuck und selbstgefällig wirkt auf ihn. Er fragt sich, was wohl wäre, wenn das berühmte Wahrzeichen der Stadt mit dem höchsten – natürlich muss es der höchste sein! – Backsteinturm der Welt einmal keine Lust mehr hätte. Wie ein Ameisenbär rührt Pios Martinskirche schlapp mit der Turmspitze in den Häusern der Altstadt herum. Das Material Terracotta orientiert sich am Original.

„Martin, ab in die Ecke und schäm dich!“ Martin Kippenbergers Befehl an sich selbst als Skandalkünstler oder den Künstler als Kind greift Pio Ziltz auch für sich auf: „Pio, iss doch auch mal Obst!“ heißt ein Objekt. Zwischen den schwarz angegammelten Früchten liegen Spritzen, garantiert nicht von Vitamin-Junkies!
Die Kinderknete FIMO ist für dieses Werk das „adäquate“ Material…

„Pio, mach das nochmal mit der rechten Hand!“ lautet die Aufforderung hinter einer anderen Installation. Mehrere Baumstämme, deren Grundmaterial Styropor mit Klopapier-Ummantelung ist, erzählen anarchische Trash- und Punkmärchen, die sich in einer Art Vogelhaus, zwischen stachelbewehrten Schläuchen, Skelettteilen oder an anderen fantastischen Orten abspielen. Der Materialmix ergibt sich aus den Ideen, die der Künstler im Kopf hat. Die Farbigkeit erinnert an Fastfood-Verpackungen.

Oder auch an Industriefarben für Rohre, Ölfässer, Werkzeuge und dergleichen wie bei einer weiteren Arbeit: Auf einer Halde aus Industriemüll steht in einem aufwändigen Schutzanzug der „Mitarbeiter des Monats“. Ihm „huldigen“ die anderen Arbeiter. Immerhin hat der Mitarbeiter des Monats Rückgrat, oder wird er über einen Kabelstrang ferngesteuert, der sich in diesem rückgratähnlichen Schlauch befindet?

Die komplexen, verschachtelten plastischen Arbeiten von Pio Ziltz setzen sich aus diversen Materialien und Themen zusammen; sie wirken auf den ersten Blick kaum überschaubar, bilden Hybride aus natürlichen und technoiden Formen. Sie folgen ihren eigenen Gesetzen, nicht denen der Logik. Sie verwirren und machen Spaß zugleich!

(Ursula Bolck-Jopp)

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