IVO RINGE | HEATHER SHEEHAN

Malerei | Objekte


HEATHER SHEEHAN

„beings“

IVO RINGE
„…denn da ist keine Stelle, die Dich nicht sieht.“

Eröffnung: Freitag, 30. Januar 2009, 20:00 Uhr

31. Januar – 22. Februar 2009
do – so 14:00 – 17:00 Uhr

Führungen durch die Ausstellung
Sonntag, 15. und Sonntag, 22. Februar 2009, 15:00 Uhr

mit freundlicher Unterstützung
der Stadt Landshut und der Sparkasse Landshut

Heather Sheehan
beings

„beings“
sculpture installation
and works on paperHeather Sheehan, a New York artist based in Cologne, Germany, presents a new installation of tiny, animal-like sculptures which are nesting in a forest of abstract, wooden structures. Elevated to our eye-level, each of the embryo-like creatures has been given its own place to perch or rest. Heather Sheehan has also created delicate portraits of the „beings“ in pencil and water color. Both the installation and the works on paper make evident the dignity with which the artist views these curious creatures. In the Neue Galerie Landshut, the „beings“ peacefully wait to take up dialog with the viewers.

Zu dem Werk der Bildhauerin Heather Sheehan zählen neben Skulpturen, Installationen, Videos und Performances auch Zeichnungen. Thematisch beschäftigt sie sich in ihren Arbeiten mit Lebewesen, zum einen mit dem Menschen, seiner Gesellschaft und Kultur, zum anderen mit Wesen, die sich einer gängigen Klassifizierung weitestgehend entziehen.

Die Künstlerin zeigt hier in Landshut eine Installation mit der Werkgruppe der sog. BEINGS, von „to be“ = „sein“. BEINGS bedeutet Dasein, Sein, Wesen. Und es handelt sich um kleine Wesen, deren Gattung sich nicht eindeutig bestimmen lässt. Sie scheinen einfach da zu sein. Diese BEINGS entstehen seit 2004 in losen Folgen.
Wir sehen hier eine Installation aus mehreren sehr fragilen Zeltkonstruktionen aus jeweils 4 Holzleisten gebaut, die oben mit Bienenwachs zusammengehalten werden. Es werden auch Assoziationen wach zu Bäumen, einem Wald oder gar einer Landschaft. Die Holzkonstruktionen sind teilweise bis zu 2 m hoch, also übermannsgroß. Darin befindet sich jeweils auf Augenhöhe ein Filzlager, eine Art Nest aus weißem oder grauem Filz, in dem je ein winziges, vielleicht 10 cm kleines Wesen aus weißem oder grauem Viscoseplüschfell seinen Platz gefunden hat. Das ganze Arrangement wirkt geheimnisvoll, wie in die Welt geworfen.
Die BEINGS sitzen oder liegen, wirken hellwach oder schlafend und weisen einige Gattungsmerkmale von Säugetieren auf. Keines ist angelehnt an eine echte Kreatur, sie ähneln höchstens Mäusen, Vögeln oder Maulwürfen. Sie sind somit fremd und vertraut zugleich. Sie haben einen pelzigen Rumpf, kleine Ärmchen, Beinchen, Augen, eine Nase, sind aber alle unterschiedlich in ihrer Gestaltung und vor allem auch ihrem Ausdruck: einige sind aufmerksam, scheinen dem Blick des Betrachters zu folgen, manche wirken dagegen sehr schutzbedürftig, eines hat die Augen geschlossen wie im Schlaf (SLEEPING BEING), manche wirken frech, stolz, weise, verlassen oder hilfsbedürftig. Der individuelle Ausdruck eines jeden irritiert und bewirkt beim Betrachter Unbehagen. Sie alle haben einen Blick, der sich auf ihr Gegenüber, also auf uns richtet. Diese Begegnung mit dem Betrachter wird gelenkt, je nach Anordnung der Holzkonstruktion und der Höhe des Nestes.
Die Behausungen stehen recht vereinzelt da, so dass der Besucher sie umschreiten kann. Sie sind sehr fragil, stellen aber zugleich eine Fürsorge für ihren Bewohner dar, bieten ihm eine Wiege. Durch die Vereinzelung kann keine Kommunikation stattfinden, jedes BEING ist für sich. Diese ganze Installation ist im Raum inszeniert, auf dem Boden liegt Kleintierstreu, als seien die Nester gerade gebaut worden. Wir Betrachter bekommen Hinweise, dass wir respektvoll mit den unbekannten Wesen umgehen sollten, dass sie wertvoll sind und keine ausgestopften Trophäen oder Spielzeuge.
Wir sehen uns konfrontiert mit kleinen Wesen, mit einem unbekannten Leben, das nicht einzuordnen ist, und nun stellt sich uns unweigerlich die Frage, wie wir dem begegnen, damit umgehen. Welche Gefühle wecken diese Kleinen in uns: Fürsorge vielleicht. Sie verweisen in ihrer Fragilität, ihrem reinen Weiß auf ihre Verletzlichkeit und in einem größeren Zusammenhang gesehen auf die Verletzbarkeit des Seins überhaupt. Lässt sich der Betrachter darauf ein, so kommt es zu einer Art Dialog mit diesen Wesen, Überdenken der eigenen Haltung, des eigenen Standpunktes. Die Künstlerin stellt die Frage nach der Toleranz gegenüber Andersartigkeit.

Zur künstlerischen Vorgehensweise möchte ich noch erwähnen, dass die Künstlerin mit einer Plastilinform beginnt, sie bestimmt dabei die Größe während des Knetens. Anhand der Form wird dann ein Schnittmuster angefertigt. Im Fühlen des Stoffs während der Arbeit wird entschieden, wie die Figur aussehen soll, ob sie Ohren bekommt, einen Schnabel etc. Das ist nicht im Vorhinein klar. Später werden aus Kunstharz Details angesetzt, wie Augen, Pfoten. Während des Arbeitsprozesses mit den Materialien entscheidet sich, welche Position die neuen BEINGS haben werden. Die Künstlerin sagt dazu: „Wenn ich mit der Arbeit beginne, ist alles noch offen, irgendwann gehen die Figuren eine Beziehung mit mir ein, bestimmen ihre Position.“ – Zitatende
Diese sehr persönliche Beziehung zwischen den Wesen und der Künstlerin, die in der langwierigen Arbeit an den Skulpturen entsteht, wirkt auch auf den Betrachter zurück.
Die Auseinandersetzung der Künstlerin spiegelt sich in den Papierarbeiten wieder, von denen hier eine Auswahl zu sehen ist. Die Zeichnungen, in Aquarell oder Zeichenstift ausgeführt, sind Porträts der BEINGS, die im Anschluss an die Wesen entstehen. Es handelt sich also keinesfalls um Vorzeichnungen.

Dr. Nanna Preussners

Ivo Ringe
denn da ist keine Stelle, die Dich nicht sieht…


IVO RINGE

Ivo Ringe bedient sich ganz anderer künstlerischer Mittel als Heather Sheehan, wie schon der erste Blick zeigt: er hat sich der reduzierten, gegenstandsfreien Kunst verpflichtet und kreiert mit den Möglichkeiten der Malerei eine ganz eigene Bildwelt.
Seine Arbeiten sind reich an Struktur und Bewegung. Sie zeigen auf monochromen oder farblich unterteilten Untergründen Linien, Pinselstriche, die sich zu einer netzähnlichen Struktur zusammenfügen. Dabei entsteht eine sich in alle Richtungen fortsetzende Bewegung, die das Bild und den umliegenden Raum dynamisiert. Bei einigen Arbeiten scheint diese Struktur über die Bildränder hinweg zu wachsen, um sich dort endlos auszudehnen.
Bei anderen Werken bilden die Farbstriche eine in sich geschlossene Form mit einer netzähnlichen Binnenstruktur, deren Größe und Proportion sich am Format der Leinwand orientiert. Diese geschlossenen Formen wirken monumental und scheinen optisch aus dem Bild hervorzutreten. Sie ähneln fast Skulpturen oder auch Gesichtern. Häufig benennt der Künstler sie nach Göttern aus der griechischen Mythologie wie PALAS ATHENE oder HERAKLES.
Die gestischen Farbstrukturen überlagern sich und ziehen den Blick des Betrachters in die Tiefe eines komplexen, mehrdimensionalen Raumes.
Die Farblinien, die je nach Farbauftrag mal durchscheinend, mal undurchdringlich sind, geben in ihrer Struktur und ihrem Verlauf Zeichen ihres Entstehungsprozesses preis. Der Blick des Betrachters folgt den Spuren des Pinsels, die feinste Linien im Strich zurückgelassen haben. An den Stellen, an denen die Striche zusammentreffen und sich gleichermaßen in verschiedene Richtungen trennen, scheinen in einigen Bildern die Punkte durch, die der Künstler auf den farbigen Untergrund setzt, bevor er im weiteren Prozess beginnt, diese Punkte miteinander zu verbinden. Die Entscheidung, ob die gesetzten Markierungen zu einer geschlossenen Form verbunden werden oder sich über die Bildgrenzen fortsetzen, fällt während des Malens ganz intuitiv. Der Künstler nimmt dabei seine ganze Absicht raus und lässt die Energie der eigenen Schöpfungskraft zu.
Ringe verlässt dabei die feste, vorweg genommene Vorstellung von einem Bild, um der Wahrnehmung im Augenblick des Entstehens einen Raum zu schaffen. Darum spricht er auch immer wieder in Bezug auf seine Arbeiten von einer „Malerei des Augenblicks“. In einem Gespräch im vorigen Jahr sagte Ivo Ringe zu mir:
„Am Anfang eines neuen Bildes lege ich mit der Farbe und Aufteilung des Hintergrunds die Grundtöne des Bildes, die „Bässe“ fest. Dann setze ich die Energiepunkte darauf, und die verbinde ich. Auf welche Art und Weise die verbunden werden, das passiert während des Malens ganz intuitiv. Ich versuche mich soweit wie möglich da heraus zu nehmen. Dann, aus der Farbe, aus der Gestik, entstehen diese Strukturen, die immer anders sind.“
Die Wahl der Farben für ein Bild variiert bei Ringe sehr, je nachdem, wie der Künstler das Werk gewichten will. Die Farbzusammensetzungen sind Schicht für Schicht übereinander gelegte und mit großer Erfahrung austarierte Mischungen und werden für den Betrachter zum sinnlichen Erlebnis.
In seiner künstlerischen Vorgehensweise agiert Ringe intuitiv, seine Bilder senden Impulse an uns Betrachter, an unsere Wahrnehmung und unser Denken.„… denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht.“ ist der Titel von Ringes Ausstellung hier in Landshut und zugleich der Titel dieses nicht nur wandfüllenden sondern auch raumfüllenden Bildes. Als Betrachter hat man das Gefühl im Bild zu stehen, von ihm umschlossen zu sein. Der Titel ist dem Gedicht „Archaischer Torso Apollos“ von R. M. Rilke aus dem Jahr 1908 entliehen, das die Begegnung des Dichters mit einer griech. Statue des Gottes Apoll (Gott des Lichts und der Weisheit, Beschützer der Künste) im Louvre schildert. Im Angesicht dieses Körperfragments, ohne Arme, Beine, Kopf und Geschlecht spürt der Dichter ein Übermaß an Männlichkeit, Vitalität und göttlicher Energie, das ihn geradezu demütigt. Er schaut die Statue an und die Statue blickt ihn an, woraufhin er eine Stimme aus dem Stein vernimmt, die eben sagt: „… denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht. Du musst dein Leben ändern.“
Dieser Betrachter wird ergriffen, fühlt sich angesprochen, erschüttert, in seiner eigenen Existenz berührt und erlebt den einen Satz: „Du musst dein Leben ändern.“
Das Kunstwerk ist nicht nur der Betrachtung ausgeliefert, sondern fordert den Blick. Der Betrachter wird selbst zum Objekt der Betrachtung, und die ist keineswegs unverbindlich, sondern – wie von Rilke empfunden – schonungslos. Die Werke der Kunst senden Impulse an die Wahrnehmung und an das Denken. So wird aus dem Betrachter selbst ein Angeschauter.
Und wenn wir jetzt gedanklich noch einmal runter gehen zu den kleinen BEINGS in ihren Nestern und uns daran erinnern, wie jedes dieser Wesen seinen eigenen Blick hat, der auf den Betrachter gerichtet ist, so wird deutlich, wie sehr dieser Satz: „… denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht.“ auch für Heather Sheehans Kunst Gültigkeit hat.

Dr. Nanna Preußners

 

Eröffnung
Einführung Dr. Nanna Preussners, Hamburg

 

Heather Sheehan, Ivo Ringe, Dr. Nanna Preusnners


Unter den Gästen: John Groom und Rupert Eder
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