Martin Paulus | Willi Weiner

HALS


Martin Paulus | Willi Weiner

„HALS“ – ein Zyklus: Bilder & Plastiken

zur Ausstellung erscheint ein Katalog

Eröffnung: Freitag, 14. Januar 2011, 20:00 Uhr
Einführung: Stephanie Gilles, M.A.
Hierzu sind Sie und Ihre Freunde herzlich eingeladen!

15. Januar – 6. Februar 2011 do – so 14:00 – 17:00 Uhr

Am 06. 02. 2011 um 18 Uhr liest Martin Paulus aus seinem neuen Buch
»SILBER AM HIMMEL«

mit freundlicher Unterstützung durch Stadt Landshut und Sparkasse Landshut

Martin Paulus


»Er aber bewahrt als ein lebendes Gefäß die Erinnerung . . .«
Mircae Cartarescu, Die WissendenDer Zyklus »Hals« von Martin Paulus und Willi Weiner folgt den Spuren des holländischen Barockmalers Frans Hals
(* um 1580 in Antwerpen; † 1666 in Haarlem).

Die entstandenen Bilder und Plastiken lassen das Werk des Niederländers neu aufscheinen und finden in ihm ihren eigenen Bezug zur Vergangenheit.

Zu einem ersten Dialog der beiden Künstler kam es 1995 mit der in der Galerie Josephski-Neukum gezeigten gemeinsamen Arbeit »Äsops Rätsel«.

Willi Weiner

Einfuehrung
Stephanie Gilles, M. A.

Bereits zum zweiten Mal treten Martin Paulus und Willi Weiner in einen künstlerischen Dialog zueinander und mit der Vergangenheit.
Realisierten sie doch bereits 1995 in der Galerie Josephsky in Issing das Projekt „Äsops Rätsel“, das sich unter anderem auf Bilder des flämischen Barockmalers Jakob Jordaens bezog.
Angestossen durch die Ausstellung der Hypo Kunsthalle zu Frans Hals 2009 entstanden in den letzten beiden Jahren die Arbeiten, die Sie heute sehen können.

Haarlem, wir schreiben das Jahr 1664: der 81-jährige Frans Hals macht sich daran, zwei seiner berühmtesten Werke zu schaffen: die beiden Gruppenporträts der „Regenten und Regentinnen des Oudemannenhuis“.
Aus dem dunklen Bildhintergrund stechen ausdrucksstark gestaltete Gesichter, Hände und weiße Krägen leuchtend hervor. Durch seine raffinierte, auf wenige Bildelemente konzentrierte Gestaltung lenkt der Holländer die Blicke des Betrachters auf das Maßgebliche und offenbart ihm so einen verblüffenden, geradezu psychologischen Einblick in die Charaktere der Porträtierten.
Frans Hals erfasste bereits damals die Möglichkeiten des Assoziativen, die in der zeitgenössischen Kunst zur Selbstverständlichkeit geworden sind und nutzte diese bahnbrechenden Erkenntnisse bewusst zur Charakterisierung seiner Porträtierten. Nicht mehr die perfekte Textur von Haut und Stoffen war maßgeblich, sondern das Einfangen von Gestik, Mimik, Physiognomie.

Betrachtet man sich die Arbeiten von Martin Paulus und Willi Weiner hier in den Räumen der Neuen Galerie, so kann man nicht umhin, sie als Hommage an Frans Hals zu sehen.
Jeder auf seine Weise, Paulus meist mit Dispersionsfarbe und Ölpastellkreide auf Nessel, Leinwand oder Holz, Weiner durch seine aus Cortenstahl geschweißten Plastiken und seine Papierarbeiten versuchen sich dem Barockmaler Hals aus heutiger Sicht zu nähern. Betrachtet man die künstlerischen Werke, wird offenbar, daß den beiden daran gelegen ist, eine Brücke zu schlagen, eine Kontinuität aufscheinen zu lassen, die wir gerade im Hier und Jetzt oft vergessen: Die kunsthistorische Tradition als Grundlage, aus der sich Entwicklung, aus der sich Neues, aus der sich Innovatives in der Kunst speist.
Martin Paulus wählt sich für seine Auseinandersetzung mit dem Thema „Frans Hals“ ausschließlich ein Gruppenporträt des Alten Meisters bzw. Ausschnitte daraus, nämlich die bereits erwähnten „Regentinnen des Oudemannenhuis“. Er nimmt uns mit auf eine Zeitreise, die aus dem Dunkel der Geschichte bis hinein in die Gegenwart führt. „zeitgenössische Kunst, so sagt er einmal sinngemäß, ist zu sehr dem Stempel NEU verpflichtet. Mir ist an einer Rückbesinnung gelegen. Und so nähert er sich dem Thema „Hals“ behutsam und lässt eine Zwiesprache mit einem Gemälde aus alter Zeit entstehen. Das Ausloten dessen, was heute nicht mehr mit den Mitteln der Vergangenheit darstellbar ist, führt Paulus zu seinen konzeptuellen Ansätzen und Ausdrucksformen. Dabei malt und zeichnet er nicht gegen Vergangenes an, sondern findet DURCH die Vergangenheit zu einer, zu SEINER zeitgemäßen Interpretation.
Pinsellasur über Pinsellasur trägt der Maler Paulus auf, bis der Bilduntergrund jene Tiefenwirkung besitzt, die es dem mit Ölpastellkreide arbeitenden ZEICHNER Paulus ermöglicht, akzentiuerte Umrisse, Gesichter, Hände, Kragen und Stulpen wie aus einem Nebel auftauchen zu lassen.
27 unterschiedliche Arten von Schwarz hat Vincent van Gogh, dessen Frühwerk, man denke an die Kartoffelesser, ohne Frans Hals nicht denkbar wäre, in der Malerei seines Vorbildes ausgemacht und die 5 Grundfarben, die Paulus intuitiv wählt, scheinen Schicht um Schicht das Geheimnis dieser Schwarztöne freizulegen. Der Entstehungsprozess seiner, also Paulus, Bilder verdankt sich dabei einem intuitiven Erspüren, einem experimentellen Automatismus. Für den Betrachter bleibt auf diese Weise das Kunstwerk offen, wie Umberto Eco es ausdrückt. Und nur so bietet es dem Betrachter die Möglichkeit, durch seinen eigenen Erfahrungsschatz einen ganz individuellen Zugang zum jeweiligen Kunstwerk zu bekommen.

Martin Paulus gelingt mit seinen sensiblen Arbeiten nicht nur eine Rückbesinnung. Gleichzeitig gibt er ihnen wie auch dem rezipierten Hals Bild eine Heimat im Bergerschen Sinne. Meinte doch der große Kunstkritiker, der im Sommer 2010 im Rauthauskeller in einer Ausstellung zu sehen war: „Was gemalt ist, überlebt im Schutzraum des Bildes, im Schutzraum des Gesehen worden seins. Die Heimat eines wahren Bildes ist dieser Schutzraum.“

Eine ganz andere Herangehensweise an das Thema Hals zeigt der Bildhauer Willi Weiner. Auch er greift sich Ausschnitte, Versatzstücke heraus, auch er kommt durch eine extreme Reduktion der Mittel zu einer gültigen Aussage, doch während Paulus sich für Farbwirkungen und das spannungsreiche Wechselspiel zwischen Malerei und Zeichnung interessiert, geht es Weiner in Zeichnung wie bei der Plastik um den Begriff des Porträts und das Ausloten von Möglichkeiten der Individualisierung im Hier und Jetzt.
Seine in der Ausstellung gezeigten Hohlplastiken sind aus 1mm dickem Cortenstahl kalt geformt, geschweißt und in Teilen weiß lackiert. Auffallend ist, daß die Schweißnähte nicht wie bei vielen anderen Künstlern üblich, getilgt werden. Der Endstehungsprozess wird nicht verschleiert, er ist selbstverständlicher Teil des Ganzen, ja findet sogar als gestalterisches Element Einsatz.

Weiners künstlerische Formen- und Gedankenwelt kreist um die Durchdringung der Begrifflichkeiten Außen und Innen, Hohlraum und Masse sowie deren assoziativer Aussagekraft.
Was also wäre für ihn naheliegender, als sich beim Thema Frans Hals des HALSES und dessen „DRUMHERUM“, des Kragens anzunehmen?

Die Plastiken wie auch die teilweise gefalteten, in Mischtechik ausgeführten Bilder dieses Dialogs sind voller hintergründigem Witz, ohne dabei ihre Ernsthaftigkeit einzubüßen. Wählt Weiner sich doch Kragenformen aus unterschiedlichen Bildern des Großen Meisters und setzt sie als PORTRÄT in Szene. Der Kragen selbst ist Porträt, ist Gesicht und somit unverwechselbar. Folgerichtig und –  – betrachterfreundlich -ordnet er den Kragen auch die Namen ihres jeweiligen Trägers zu. Wer sich ein Aha- Erlebnis gönnen will, der sollte also die Hals Gemälde „Aletta Hanemans“, „Die Vorsteherinnen des Altmännerhauses“ oder auch „Pieter Cornelisz van der Morsch“ googeln. Der Aha- Effekt funktioniert natürlich nur, wenn Sie vorher auch den Katalog dieser Ausstellung gekauft haben oder, noch besser, eine der Arbeiten selbst!
Willi Weiner ist ein Meister im Vertauschen von Dichte und Leere, im Spiel von Positiv und Negativ. Vielleicht am Nachdrücklichsten gelingt ihm die Umsetzung seiner Überlegungen bei „Pieter Cornelisz van der Morsch“: An dünnen Drähten befestigt, schwebt diese Plastik im Raum und wirkt doch nicht verloren. Nicht- Sichtbares trifft hier auf scheinbar Sichtbares, Stoffliches auf Nichtstoffliches. Phantasie vermischt sich mit real Existentem zu einem imaginären Ganzen. Des Kaisers Neue Kleider mit umgekehrten Vorzeichen oder, wie der Kunsthistoriker Peter Anselm Riedl, der in Landshut durch seine Arbeiten über Fritz Koenig bekannt ist, es ausdrückt: „Weiner begnügt sich nicht damit, außergewöhnliche Perspektiven zu eröffnen; er materialisiert unmögliche! Indem er Anschauung, Wissen und Phantasie verknüpft, findet er Lösungen, die unter entsprechenden Bedingungen rezipiert sein wollen.“

Die suggestive und assoziative Kraft und Aussagefähigkeit zeitgenössischer Kunst stellen Weiner wie auch Paulus, jeder auf seine Weise, eindrücklich unter Beweis.
Das Ergebnis ihrer Arbeit ist ein spannungsreicher Brückenschlag zurück ins 17. Jahrhundert. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen mit der Ausstellung!

Stephanie Gilles

Silber am Himmel
Lesung von Martin Paulus

Mit einer Lesung beendet die Neue Galerie Landshut ihre Ausstellung „HALS“ von Martin Paulus und Willi Weiner. Am Sonntag, 6. Februar um 18:00 Uhr liest der Maler und Schriftsteller Martin Paulus aus seinem neuesten, im Januar erschienenen Buch „Silber am Himmel“.

Moritz Holfelder (BR) schrieb über Paulus‘ neueste Arbeiten: „Wie Ennio Morricone evoziert Martin Paulus Erinnerungen, Kindheitsassoziationen, Gedächtnisfetzen und nutzt dafür die großen Erinnerungsmedien des 20. Jahrhunderts, den Film und die Fotografie, interpretiert sie neu, führt sie zurück ins viel bedächtigere, langsamere Medium der Malerei. Nun sind persönliche, impressionistische Texte dazugekommen, sprachliche Spaziergänge, lyrische Momentaufnahmen mit knappen, treffenden Worten.“

Zuletzt hatte Paulus 2008 sein Buch „Die Alben“ im renommierten Triptychon-Verlag veröffentlicht, welcher auch Henry James‘ „Die Aspern-Schriften“ in einer gefeierten Auflage neu herausgebracht hat.

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