Videokunst aus der Schweiz
Mit freundlicher Unterstützung durch
RGB – die Farben der bewegten Bilder
Videokunst aus der Schweiz
Zusammengestellt von Annick Haldemann, Dipl. gest. ZHdK, Kunsttheoretikerin
Kinoptikum Landshut
5. Landshuter Kunstnacht
Freitag, 10. September 2010, 20.00 – 24.00 Uhr
Sonntag, 03. Oktober 2010, 19:00 – 20:00 Uhr
Die Kurzvideos von Künstlerinnen und Künstler aus der Schweiz sind Augenschmaus und Futter für die Seele, aber nicht immer leicht zu verdauen.
Kurzvideos sind eine der aktuellsten Ausdrucksformen unserer Zeit, in miniaturisierter Form begleiten sie uns überall hin, jederzeit abrufbar. Diese „Begleiter“ informieren uns über dies und das, Notwendiges und Überflüssiges und sehr oft sind es Gags und Unsinn. Einen kleinen Teil dieser Übermittlungsflut stellt Videokunst dar, Juwele der aktuellen Formgebung.
Die ausgewählten Videokünstlerinnen und Videokünstler aus der Schweiz sind alle mehrfach für ihr Schaffen ausgezeichnet worden. Es werden Kurzvideos der letzten Jahre gezeigt, die wesentliche Tatsachen einer Gesellschaft thematisieren. Peter Aerschmann tippt politische Diskussionen an, ohne politisch zu werden, Mo Diener verschreibt sich der Kommunikation und Gabriela Löffel zeigt beeindruckend eine Grenzerfahrung. Das Wesen in Chantal Michels Videoarbeit verkörpert zwei Gesichter eines Menschen und eine Metapher für Depressionen zeigt Myriam Thyes. Stefan Rohners Arbeiten sind skurril und erfrischend ironisch und wir freuen uns nach vielen Jahren die amüsante Arbeit wieso geh’n Sie nicht ins Bett? von Frantiček Klossner wieder zeigen zu können.
PETER AERSCHMANN / EYES / 2006 / 01:00 min
(*1969 in Fribourg/CH, lebt und arbeitet in Bern/CH)
Die Ausgangslage der Arbeiten von Peter Aerschmann sind immer unspektakuläre Motive aus dem Alltag, die er mit Fotoapparat und Videokamera festhält. Was wir gerade mal wahrnehmen, aber keine besondere Rechnung tragen ist das was Peter Aerschmann interessiert. Vorgefundenes setzt der Künstler in collageartig in eine völlig neue Welt.
In der Arbeit Eyes (2006) verbindet Peter Aerschmann ein New Yorker Polizist mit einer muslimischen Frau und überrascht mit der erkennbaren Nähe der Kleidercodes. Die Verhüllung der muslimischen Frauen ist ein Zeichen des religiösen Kodex, die uniformierten Polizisten verbinden wir mit kontrollierter Gewaltbereitschaft des Staates. Subtil tippt Aerschmann den Konflikt zwischen dem Islam und der amerikanischen Weltmacht an, ohne dabei politisch zu werden.
MO DIENER / ENCODED SONG / 2008 / 03:00 min
(*1961 Horgen /CH, lebt und arbeitet in Zürich /CH)
Mo Diener arbeitet hauptsächlich mit Video, Performance und Installation. In den letzten Jahren hat die Künstlerin Gespräche an Kunstanlässen niedergeschrieben und in ihren Arbeiten weiterverarbeitet. Worte sind ein wichtiger Bestandteil in Mo Dieners umfangreichen und aufwendigen Arbeiten. Mit Video, Ton und Schrift erforscht Mo Diener ihre Sammlung an Gesprächen, die für sie auch nur ein Überbleibsel einer Erfahrung sind, die in ihrer ganzen Dimension nur im Moment authentisch sein kann: im Gespräch.
Aus dem seit 2002 gesammelten Gesprächstexten hat Mo Diener neue unausgesprochene Gedanken zusammengesetzt und neu geordnet. Encoded song (2008) schüttelt die Künstlerin Stimmen und Töne, Gedanken und Text, Natur und Künstlichkeit durcheinander. Klare Worte mit verwirrenden Tönen und Bildern. Performance und Texte: Mo Diener, Sprecher: Kaspar Weiss, Kamera: Eugenia Loginova.
FRANTICEK KLOSSNER / WIESO GEH’N SIE NICHT INS BETT? / 1997 / 05:00 min
(*1960 in Bern/CH, lebt und arbeitet in Bern/CH)
Frantiček Klossner arbeitet an der Schnittstelle von traditionellen, neuen und neuesten Medien. In performativen Werken und Videoabreiten verbindet der Künstler eine Vielzahl von Medien. Die Videoarbeit wieso geh’n Sie nicht ins Bett? Eine Chasmologie-Studie mit Sophia Loren und Marlon Brando, Found Footage Video ist eine von Frantiček Klossner selten gewählte Technik und wird auch selten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Gähnen ist ansteckend! Marlon Brando und Sophia Loren haben dies im letzten Spielfilm von Charles Chaplin „A Countess from Hong Kong“ (1967), in höchster Vollendung bewiesen. Sie sitzen sich in der Kabine eines Luxusliners gegenüber und weichen erfolgreich einem Gespräch aus, indem sie sich mit einem reichen Repertoire von Übergangshandlungen gegenseitig nerven. In der Video-Montage von Frantiček Klossner wird die Aktion des Gähnens aus ihren narrativen Zusammenhang losgelöst. Die isolierte Handlung wird im Copy Paste Verfahren zu einem endlos erscheinenden, meditativen und schon fast schmerzhaft humorvollen Ritual. Bemerkenswert ist dabei auch der Klang des Gähnens, der in meisterlicher Manier von den deutschen Synchronstimmen zelebriert wird.
GABRIELA LÖFFEL / Fokus / 2002-03 / 03:04 min
(*1972 in Oberburg/CH, lebt und arbeitet in Genf und Bern/CH)
Gabriela Löffels Videoarbeiten bestechen durch ihre Reduktion und ihre starke Metaphorik. Die Künstlerin scheut die archaischen Bilder nicht. Sie greift sie auf und setzt sie durch den subtilen Einsatz der Video- und der Klangkunst in eine neue Bildsprache um.
In der Videoarbeit Fokus (2002-03) sind Frauen zu sehen, die von einer zunehmenden Verausgabung gekennzeichnet sind. Die Zuschauenden nehmen Anteil an der anstrengenden Szene. Der eigentliche Grund ihrer Anstrengung, ist allerdings ausgeblendet. Wir sehen lediglich die Mimik der Frauen, die zum erstenmal in einem Schiesssportkeller mit einer Pistole in Kontakt kommen. Eine Momentaufnahme der Konfrontation mit ihren eigenen Grenzen.
CHANTAL MICHEL / DIE FALLE / 2005 / 05:15 min
Chantal Michel (*1968 in Bern/CH, lebt und arbeitet in Kiesen und Bern)
In ihren Videos, Performances und Fotografien inszeniert sich die Künstlerin selbst in unterschiedlichen Räumen. Chamäleonhaft wandelt sie dabei ihre Gestalt: Kostüm, Gestik und Mimik fügen sich subtil in die Stimmung der Umgebung ein.
Ein verängstigtes Wesen nähert sich scheu und neugierig der Kamera, die Bewegungen sind hektisch, die Augen ausdruckslos leer. Wie von der Tarantel gestochen, beginnt es furiengleich herumzutoben. Nicht begreifend, was in sie gefahren ist, japst die Rasende nach Luft. Sie lässt ihren Launen hilflos freuen Lauf wie ein unglücklich trotzendes Kind. Die Falle (2005) zeigt ein beängstigendes Bild und doch kann der Zuschauer seinen Blick von der Kreatur nicht abwenden.
STEFAN ROHNER / BLUE WALK – ROUND – MARBLE TRAIN / 2005 / 04:00 min
(*1959 in Herisau/CH, lebt und arbeitet in St. Gallen/CH)
Der Foto- und Videokünstler arbeitet hauptsächlich mit Situationen und Motiven aus dem Alltag, die aber in eine erfrischende Ironie und mitfühlende Gelassenheit münden. Dafür schlüpft Stefan Rohner selbst in die Roller der Kunstfigur. Kürzest-Geschichten werden darin eher initiiert als erzählt.
Mobilität als Motiv findet sich in den Videoarbeiten „on the move“ von Stefan Rohner. In blue walk, round oder marble train (2005) betrachtet der Künstler unsere „bewegte“ Welt mit einem Augenzwickern. Joggt um Verkehrskreisel herum, fliegt im Trainingsanzug am fahrenden Zug vorbei oder überwindet Hindernisse wie Blumentöpfe.
MYRIAM THYES / DEPRESSION MARQUIS / 2009 / 02:23 min
(*1963 in Luxemburg/LU, lebt und arbeitet in Düsseldorf/DE)
Die luxemburgisch-schweizerische Medienkünstlerin arbeitet vorwiegend digital, in den Bereichen Videokunst, 2D-Animation, Fotomontage und Vektorgrafik. Bekannt ist ihr partizipatives Projekt ‚Flag Metamorphoses‘, eine seit 2005 wachsende Serie von Flash-Animationen zum Thema Flaggen, das Beziehungen zwischen Ländern thematisiert.
Myriam Thyes arbeitet an der Analyse und Umwertung bekannter Symbole, zum Beispiel aus Politik Architektur und Religionen. In Depression Marquis(2009) fährt der gläserne Aufzug im New Yorker Luxus-Hotel Marriott Marquis abwärts – die lange Fahrt endet im Gletscher-Eis. Der Zuschauer wird regelrecht in den Sitz gedrückt. Eine Metapher für Depressionen, wie sie Menschen mitten im Überfluss befallen können.