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Kunst aus der Schweiz

Kunst aus der Schweiz
im Rahmen der 5. Landshuter Kunstnacht

 

Genau weiss man es nicht
Kunst aus der Schweiz – kuratiert von Annick Haldemann, Bern


GENAU WEISS MAN ES NICHT
Daniela Erni | Sylvia Hostettler | Julia SteinerKunst aus der Schweiz, kuratiert von Annick HaldemannEröffnung: Freitag, 10. September 2010, 20:15 Uhr im Rahmen der 5. Landshuter Kunstnacht
Einführung: Annick Haldemann, BernDas Kinoptikum Landshut zeigt am 10. September
Non-Stop von 20:00 bis 24:00 Uhr
Videokunst aus der Schweiz, ausgewählt von Annick Haldemann11. September – 3. Oktober 2010
do – so 15:00 – 18:00 Uhr

Führungen durch die Ausstellung auf Anfrage

mit freundlicher Unterstützung durch Stadt Landshut, Sparkasse Landshut, Familie Grotgans und weitere Schweizer Sponsoren

Daniela Erni

Daniela Ernis fragile Wesen schwimmen, wachsen oder strecken sich im Bildraum und zeigen eine ungeheure Präsenz. Wie durch ein Mikroskop betrachtet, werden den Betrachtenden unbekannte und doch nicht ganz fremde Gestalten eröffnet, die Daniela Erni – aus der Natur inspiriert – in eine eigene Formensprache umsetzt. Ohne Vorskizzen arbeitet sie direkt auf verkratzte Kupferplatten und ritzt am Widerstand des Materials, um die widerspenstigen Gestalten in ihre Form zu bringen. Daniela Ernis Arbeiten zeichnen sich durch ihre Fähigkeit aus, die gewählte Technik explizit als Inhaltsträger zu nutzen. Die Künstlerin wird nicht unbegründet als Meisterin der Radierung genannt und wurde bereits mehrfach ausgezeichnet.
(Annick Haldemann)

Sylvia Hostettler


Sylvia Hostettler lotet das Potenzial ihres Ausgangsmaterials – die Formen der Natur – bis an die Grenzen des Vorstellbaren aus. Sie entwickelt Objekte, die an Pilze und Pflanzen erinnern, es aber nicht sind – sie entwickelt Welten, die nahe der Realität sind, es aber nicht sein können, aber zum Teil sind. Nahaufnahmen von Miniaturwelten werden vergrössert und dienen als Grundlage von Märchenwelten und obskuren Räumen. Vorgefundenes und Erfundenes werden in die Fotografien gekonnt eingeflochten, sodass es den Betrachtenden unmöglich wird, Realität und Fiktion zu unterscheiden. Die preisgekrönte Künstlerin setzt in der Ausstellung ihre organisch anmutenden Gebilde aus Bienenwachs , den so genannten Requisiten, den makroskopischen Landschaften gegenüber und animiert auf eindrückliche Weise den Dialog zu Fragen der Naturkunst und Kunstnatur.
(Annick Haldemann)

Julia Steiner

Julia Steiners Arbeiten zeigen eine grenzenlose Darstellung von Erscheinungen, Spuren der Natur und Imagination. Mit sicherer Hand zeichnet die Künstlerin mit trockener schwarzer Gouache, ohne jede Vorzeichnung, aus der Vorstellung und aus dem Bild selbst. Vorlagen sind Gedankenräume, Zwischenräume, Schwarz Weiss, Auf und Ab – Erlebtes und Gesehenes, das Julia Steiner täglich in Form von Wort- und Textfragmenten in Notizbüchern festhält. Die Pinselzeichnungen sind nicht nur in ihrer Grösse gewaltig – sie ziehen die Betrachtenden unmittelbar in den Bann, zeigen Erscheinungen voll Sinnlichkeit und Leichtigkeit mit bewusst offen gelassenen Leerräumen. Die Betrachtenden werden in einen Strudel von Gesehenem und Ungesehenem gezogen, eingefangen und nicht mehr losgelassen. Die mehrfach ausgezeichnete junge Künstlerin schafft es, durch enorme Spannungsfelder einen Schwindel erregenden Sog zu bewirken, dem sich jeder Betrachtende gerne hingibt.
(Annick Haldemann)
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Daniel Bräg | Christoph Scheuerecker – Sammlung

Sammlung

Eröffnung: Freitag, 15. Oktober 2010, 20:00 Uhr
Einführung: Franz Schneider
Hierzu sind Sie und Ihre Freunde herzlich eingeladen!

16. Oktober – 7. November 2010
do – so 15:00 – 18:00 Uhr

Führung durch die Ausstellung:
Sonntag, 24. Oktober 2010, 16:00 Uhr

Während es bei Daniel Bräg um die Grenzziehung zwischen Gebrauchsobjekt, Sammelobjekt und Kunstwerk geht, sowie um die Frage, wie und warum ein Gegenstand als „sammelnswert“ eingestuft bzw. erkannt wird, beschäftigt sich Christoph Scheuerecker mit dem Prozeß des Suchens und Wahrnehmens. Er sammelt die unterschiedlichsten Dinge und bringt sie in überraschender und nachdenkenswerter Weise in neue Sinnzusammenhänge.

mit freundlicher Unterstützung durch
Stadt Landshut und Sparkasse Landshut

Sammlung

Daniel Bräg und Christoph Scheuerecker

Mit dem Begriff „Sammlung“ verbindet man zunächst nicht die Bedeutung von „Konzentration auf Wesentliches“, sondern erwartet die Begegnung mit einer  überbordenden Fülle; ist doch auch der höchste Wert einer Sammlung meist der erstrebte Endzustand der Vollständigkeit.

Betritt man nun diese Ausstellung, so begegnet man einer beinahe provozierenden Verweigerung jeglicher Fülle – ein alter, alltäglicher Schreibtisch, ein Obststand ein Stockwerk darüber, ein Kühlschrank sowie ein paar Folien mit banalen Obstetiketten.

Man fühlt sich dabei ein wenig an Marcel Duchamps Urinale erinnert, die als Objets Trouvés lediglich durch die Versetzung in einen Galeriekontext zum Kunstwerk mutierten.

Man möchte vielleicht schon, beinahe enttäuscht, den Rückweg antreten, bis unser Auge die erste Irritation erreicht: Der Obststand ist in seinen Größenverhältnissen leicht aus den funktionalen Dimensionen gehoben, seine seitlichen Abdeckungen lassen sich nicht anheben, er verweigert seine wesentliche Aufgabe, nämlich das in ihm darzubietende Obst vor den Unbilden des Wetters, vor Regen oder Sonne, vor Gärung oder Verderb zu schützen.

Auch im unteren Stock der Schreibtisch ist nicht gänzlich leer, sondern er trägt einen Karteikasten, auf dessen Karten seltsam kryptische Sätze zu lesen sind, die in keinem erkennbaren Zusammenhang zu stehen scheinen – dennoch sind sie nach einem undurchdringlichen Prinzip durch eine sechsstellige aufgedruckte Zahl geordnet.

Ein Prinzip der Ordnung trifft ebenso auf die sorgsam angereihten Dinge zu, die im oberen Stockwerk in einem Weinkühlschrank mit Innenbeleuchtung dargeboten werden. Sie scheinen auf den ersten Blick nicht identifizierbar und erwecken in diesem noblen Kontext den Eindruck einer Sammlung köstlich-kostbarer Austern. Erst wenn wir die Tür öffnen, entdeckt unser Geruchssinn, dass es sich um fröhlich vor sich hinrottende Äpfel handelt, die gerade dabei sind, sich in einen wesentlich anderen Aggregatszustand zu verwandeln.

 

Es handelt sich bei den Objekten dieser Ausstellung also durchaus um Dinge und Anordnungen, die dem Begriff der Sammlung, der Anhäufung, der Agglomeration entsprechen. Vieles, was bei Daniel Bräg zu sehen ist, entspricht darüber hinaus den Utensilien, die man auf einem Wochen-Markt , einem Obstmarkt antreffen würde.

Während auf einem Markt jedoch alles auf sinnliche Verführung des Kunden ausgerichtet ist, spricht aus diesem Arrangement der Dinge eine seltsame Distanz, so als ob wir hier eher auf Abstand gehalten werden sollten

 

Ich habe vor vierzehn Tagen einen sogenannten Bauernmarkt in einem großen Möbelhaus südlich von Landshut besucht.

Es war erstaunlich, wie sehr in einem völlig künstlichen Ambiente versuchte wurde, die Illusion einer heilen Naturnähe zu suggerieren, und obwohl das Ganze bei strahlendem Sonnenschein in einer neonbeleuchteten Halle stattfand, war alles erfüllt von Stroh und altem Holz, verkorkten Flaschen und kariertem Leinen, vom Geruch lebender Tiere und duftender Probiertellern und -brettchen.

Eine Woche später freilich erlebte ich einen ähnlichen Bauernmarkt in einem Freilichtmuseum, und auch hier erlebte ich einen beinahe rührenden Versuch, die naive Idylle eines bäuerlichen Füllhorns vor den Besuchern auszubreiten, völlig negierend, wie hart das Leben mit der Natur tatsächlich war, und wie wenig das mit unseren heutigen, entfremdeten Naturphantasien zu tun hatte.

 

Genau hier, an dieser Bruchstelle zwischen Natur, Kultur und Ökonomie, sind die Arbeiten und die Arbeitsweise von Daniel Bräg angesiedelt.

Auf die Frage, was ihn daran gereizt habe, antwortete Bräg in einem Interview:

„Dieser seltsame Naturbegriff, den es heute gibt. Zum einen der naturwissenschaftliche Blick, zum anderen der Blick, dass früher alles besser war, als man noch ohne Technik auskam, wo das Kompott selbst gemacht wurde, ich nenne es mal das naive Bild von Natur.“

Seine künstlerischen Auseinandersetzungen mit diesen Fragen fokussieren sich seit Jahren unter anderem im Obst, und hier in den Äpfeln.

Diese werden von ihm in der Regel konserviert, eingekocht, gedörrt oder gekühlt und anschließend präsentiert. Seine natürliche Aktivität vollzieht sich bei diesem Obst nicht in seinen Wachstums- sondern seinen Verfallsprozessen, in einem Vor-sich-hinfaulen, wobei auch dieser Prozess künstlich verlangsamt wird. Aspekte von Zeitlichkeit, Vergehen und Transformation werden in unterschiedlichen Versuchsanordnungen und Präsentationen erfahrbar.

 

Was sich uns darbietet sind Erscheinungsformen von Natur, die durch eine ganze Reihe von Transformationen gegangen sind und teilweise nur noch in ihrem Etikett oder Einwickelpapier, also in ihren marktkonformen Resten vorhanden sind. Auch wenn der –ohnehin nicht funktionierende – Obststand dies suggeriert, bieten sie sich uns nicht zum sinnlichen Verzehr an. „Sie sollen nicht konsumiert, sondern wahrgenommen werden“, sagt Bernd Finkeldey.

Die Arrangements erinnern dabei zum einen an naturwissenschaftliche oder soziologische Anordnungen, an Objekte der Feldforschung, wie bei den Etikettensammlungen, zum anderen an Marktkonstellationen, welche wohl mit zu den ursprünglichsten soziologischen Errungenschaften sesshafter Kulturen gezählt werden können. In beiden Fällen spiegelt sich ein Verhältnis des Menschen zur Natur wider, welches schon immer kulturell geprägt war, auch wenn wir, je länger le lieber, diesen Sachverhalt negieren, bis wir zu einem völlig absurden Naturbegriff gelangen, der sich in einem Supermarkt eher realisieren lässt als auf einem niederbayerischen Bauernhof mit Monokultur.

Es täuscht übrigens, wenn man die Objekte Brägs als banale, zufällige Fundstücke betrachtet. Sie bilden vielmehr einen vorläufigen Endzustand eines langen und sorgfältigen Prozesses des Pflegens, Erntens, Sammelns – so hat er beispielsweise mit seiner Frau selbst ein Versuchsfeld für Obstbau angelegt, das ihm als Freilandlabor und Produktionsstätte für seine Forschungsobjekte dient. Ausstellen bedeutet bei Bräg dann, bestimmte Teile aus dieser – kultivierten – Natur sichtbar zu konservieren und in bestimmter Weise neu anzuordnen, und damit den Übergang zu formulieren von der Natur zur Kultur rsp. zur Kunst. Was sich dabei ereignet, ist eine Transformation von Natur, die sich – etwa in den verkleinerten Waren-Displays oder den graphisch ausgeklügelten Folienkopien – nur noch als Erinnerung zeigt. Eine Natur, die in ihrer ganzen künstlichen Zurichtung betont wird und durch ästhetisch bestimmte Entscheidungen und Engriffe des Künstlers zu Kunst wird.

Es breitet sich zugleich eine unüberbrückbare Distanz zwischen der Natur und unseren sentimentalen Vorstellungen aus, eine Distanz, die darüber hinaus durch den bemessenen Einsatz von Ironie noch unterstrichen wird.

Die als „Porträts“ bezeichneten frischen Äpfel, die sich auf den Fenster-Borden darbieten, sind beklebt mit Apfeletiketten unterschiedlichster Provenienz, und suggerieren damit eine Mixtur aus Geschmäckern, die sich gegenseitig ausschließen und aufheben. Daraus ein Porträt zu erstellen erinnert an die Strategien der Spätmoderne, wo man sich mit Badges und Buttons unterschiedlicher Art eine nach außen sichtbare Identität aus unterschiedlichen Haltungen und Einstellungen zusammenzimmern konnte; ein Persönlichkeits-Design, welches in Zeiten von Facebook und Twitter eine noch erhebliche Steigerung des Zutaten-Instrumentariums und der Künstlichkeit erfährt.

 

Allerdings: dass Brägs Sammlungsstrategien, und uns Landshutern im Besonderen, an die in der Renaissance praktizierte Tradition des Sammelns von Kunst- und Naturobjekten erinnern, der es neben dem naturwissenschaftlichen Wissen auch um Erkenntnis und vor allem um Selbsterkenntnis ging, ist zwar naheliegend. Doch steht für Bräg nicht die Selbsterkenntnis im Vordergrund, sondern vielmehr die ästhetische Wahrnehmung.

Eine Wahrnehmung, die gerade durch ihre Verweigerung einer mimetischen Abbildung von Natur oder der Verbildlichung eines naiven Naturbegriffs, sowie durch die beinahe vollständige Ununterscheidbarkeit der Objekte von den alltäglichen Dingen eine Schule des Sehens darstellt.

 

Übergänge, Transformationen sind es auch, welche sich in Christoph Scheuereckers Arbeiten manifestieren.

Dabei arbeitet er nach dem Prinzip der „Originalkopie“. Das bedeutet, dass er Erzeugnisse, Arbeiten, Errungenschaften anderer nimmt und sie durch oft minimale künstlerische Bearbeitungen, Interventionen und Neuarrangements zu eigenen künstlerischen Setzungen macht. Das betrifft kulturelle Ausgangsmaterialien wie Ausschnitte aus Büchern, Zeitschriften oder wissenschaftlichen Darstellungen, zum anderen auch natürliche Produkte wie das Wachs von Bienen. Hier gibt es wieder eine Parallele zu Daniel Bräg, denn wo dieser seinen eigenen Garten anlegt, da betätigt sich Christoph Scheuerecker als Imker mit eigenem Bienenstock.

Im Fall der heutigen Arbeit nun geht Scheuerecker einen Schritt weiter, indem er sich selbst ein anderer wird und die Erzeugnisse dieses anderen zur Kunst macht.

Auf jeder der insgesamt 260 Karteikarten sind die Erzeugnisse dieses anderen zu lesen. Christoph Scheuerecker notiert Worte, Sätze, die dieser Andere im Schlaf, bzw. im Traumzustand spricht. Diese geträumte Sprache rinnt gleichsam aus dem grenzenlosen Raum des Unbewussten an jener hauchdünnen Trennlinie zwischen Traum und Wachzustand osmotisch in die Erinnerung des Künstlers.

„Geträumte Sprache hat ihre ganz eigene Poesie. Sie ist nicht logisch, zumindest nicht in einem offensichtlichen und objektiven Sinne. Sie ist im Gegenteil völlig subjektiv, nur auf die Person des Träumenden geschneidert, jemand anders könnte das so nicht geträumt haben und wird es nicht träumen und es bleibt auf der Grenze zum Verständlichen. Einerseits lässt es sich verstehen, denn es ist ja Sprache. Andererseits ist es eine Art Schleife, eine zurückkehrende Kommunikation, die vom Träumenden ausgeht und ihn selber meint.“

Nun ist er selber in diesem Falle aber auch der Andere, und jener notiert die Äußerungen, bevor sie der Erinnerung entschwinden.

Diese ganz subjektiven Notate werden dann objektiviert, indem sie mit Maschine auf Karteikarten geschrieben werden, gesammelt, archiviert und mit Datum versehen in einem Karteikasten geordnet. Es wirkt, als ob ein Kunstbeamter vor kurzem seine Stechuhr für den Feierabend gedrückt habe und wir nun vor seinem Archivkasten stehen, in dem er die Träume eines anderen abschöpft. Doch obwohl diese abgeschöpften Notate wie flüchtige Nachtfalter eines Traums in diesen staubtrockenen Botanisierkasten gespießt werden, verlieren sie nicht etwa ihre irisierende Farbe und zerfallen zu Staub – Im Gegenteil – Indem sie durch die tintenbenetzten Metalltypen einer Schreibmaschine in den nachgiebigen Karton gedrückt werden, erhalten diese flüchtigen Niederschriften eine geradezu dinghafte Sinnlichkeit, die sich gegen eine finale archivierende Vereinnahmung erfolgreich zur Wehr setzt und behauptet.

Wenn wir diese Karten in die Hand nehmen und ihren Inhalt lesen, so tun wir dies immer auf zwei Ebenen: auf einer sinnlich-haptischen wie auf einer intellektuell-poetischen, wobei sich diese beiden Ebenen immer wieder verschränken.

Und auch die Niederschriften der einzelnen Karten verschränken sich in ihrer sprachlichen Anmutung: Mischen sich einmal nur einzelne Worte in Gesprächsfetzen wie: „Hier ist etwas passiert“, so bilden sich auf anderen Karten poetische Sätze, die mit surrealen Aufzeichnungen abwechseln.

„Seid vor allem verrückt
Rechtsanwälte
Das ovale Gesicht des Mörders
In der Zeitung“

Das erinnert an Notizen eines Lautreamont oder an das automatische Schreiben eines André Breton.

Andere Sätze wiederum sind von bezaubernder Poesie, zum Beispiel:

„Aus der Sicht der Hummel ist es besser, in die Stille zu investieren“

 

Als Betrachter sind wir irritiert, ob wir hier nun berührende Poesie vor uns haben, voyeuristisch intime Aufzeichnungen, die uns nichts angehen, oder herausfordernd ironische Sprachspiele, die uns provozieren sollen.

Immer wieder werden so hochpoetische Sätze umklammert von höherem Blödsinn, sehr persönlich scheinende Notizen von allgemeingültigen Setzungen.

Die Einbettung des einen Sinns in einen jeweils anderen verunmöglicht es dem Betrachter, etwa einen Rückschluss auf den Urheber der Niederschriften zu ziehen. Jeder Deutung wird so ein Schnippchen geschlagen, und ohnehin gibt es, nach Meinung Christoph Scheuereckers, keine Verbindung zwischen dem Wach- und dem Traumzustand einer Person. Oder, wie eine Karte sagt: „Es gibt kein Unterbewusstes. Es gibt nur Elefanten und Walfische.“

Aus den emporgetauchten Traumnotaten ein Psychogramm des Träumers zu erstellen, wäre somit genau so vermessen, wie aus zufälligem Strandgut das Kartogramm eines Ozeans. Und dennoch trägt dieses Strandgut die Erinnerung an den unermesslichen Raum in sich – so wie die Karten in diesem kleinen Karteikasten auf dem verstaubten Schreibtisch.

Kein Wunder also, wenn dieses Stockwerk sonst nichts enthält außer diesem Kasten – denn was ihm entfliegt, benötigt unermesslichen Gedanken-Raum.

„Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“, behauptet Goya.

Dem entgegnet der andere Christoph Scheuerecker:

„Wenn man nicht schlafen kann, überschüttet man die Stadt mit seinen Träumen.“

Oder zumindest diesen Ausstellungsort.

Franz Schneider

 

Daniel Bräg
 

Seit den 90-er Jahren des 20. Jhs. beschäftigen sich Künstler in ihren Arbeiten intensiv mit der Durchdringung des Alltags. Dieses sich Einlassen auf Alltagsgegenstände und das Nachdenken über sie, geschieht bei Bräg vielfach vor dem Hintergrund des Begriffes „Vergänglichkeit“, welchen er in dieser Ausstellung in Bezug zum Begriff „Sammlung“ stellt.
Vom Bodensee stammend, wählt er sich als Alltagsgegenstände Objekte rund um das Thema Obst. Neben einem „Obststand“ machen beispielsweise ein Apfel und seine aufgeklebte Herkunftsbezeichnungen den Betrachter Nachdenken über das vergängliche Lebens- mittel „Apfel“ im Gegensatz zur relativen Beständigkeit seiner gesammelten Aufkleber.
Christoph Scheuerecker

Christoph Scheuereckers Vorstellung von „ecriture automatique“ als der Niederschrift von Träumen und Gedanken ist durchdrungen von der Beschäftigung mit dem literarisch-künstlerischen Surrealismus eines André Breton. Mit Hilfe eines Karteikastens und mit Schreibmaschine beschrifteter Karten setzt Scheuerecker den Sinngehalt der „écriture automatique“ in überraschende Beziehung zu Ordnungssystemen, wie sie jeder Sammlung eingeschrieben sind.

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Stefan Heide

Kartographie des Erinnerns – Malerei

STEFAN HEIDE

Kartographie des Erinnerns
StadtBilderEröffnung: Freitag, 27. November 2009, 20:00 Uhr
Einführung: Johann Haslauer28. November – 20. Dezember 2009
do – so 14:00 – 17:00 UhrFür die Ausstellung sind neue Bilder aus Landshut enstanden,
die zeitgleich in der Sparkasse Altstadt gezeigt werden.

Kartographie des Erinnerns
StadtBilder

Städte sind Teil eines längeren Projekts, das 2001 mit Budapest begann und mit Berlin, Lissabon, Shanghai und Rom fortgeführt wurde.

Für diese Ausstellung kam eine kleine Serie mit Bildern der Stadt Landshut hinzu.

Im Focus steht die Architektur der Stadt, die von Menschen geformt und geprägt wurde. Stefan Heide sieht in den Gebäuden Erinnerungsspeicher.
Die alten Strukturen, klassizistische Bauten, verwaiste Areale – sie alle erzählen Geschichten von vergangenen Zeiten, von gelebten Schicksalen und vom Wandel der Zeit.

Eine Stadt ist einem Menschen nicht unähnlich. Sie entsteht, sie wächst, sie bildet eine Persönlichkeit heraus und sie altert und verfällt irgendwann.
Unsere Vorstellung von „Stadt “ ist, nach Stefan Heide, ein Konglomerat unterschiedlicher Aspekte. Sie ist ein Organismus mit einem charakteristischen Gesicht, mit einer eigenen Dynamik und Persönlichkeit. Städte wecken in Menschen Gefühle, Erwartungen, Träume.

Stefan Heide versteht sein Werk nicht als topographisches Stadtporträt, sondern als Projektionsfläche menschlicher Befindlichkeit und Seinszustände: Vertrautheit, Nähe und Distanz, Melancholie, Einsamkeit, Vergänglichkeit.
In der Ausstellung werden neben Bildern der Städte Lissabon, Rom, Shanghai und Landshut auch eine Serie von Menschen in der Stadt zu sehen sein. Menschengruppen, auf die in den Architekturbildern bewusst verzichtet wurde und deren Abwesenheit gerade die Frage nach deren Präsenz stellt.


weitere Arbeiten von Stefan Heide

http://www.stefan-heide.de/arbeiten/werke.htm

 

Landshut

Parallel zur Ausstellung in der Neuen Galerie zeigt Stefan Heide in den Räumen der Sparkasse Altstadt neue Bilder aus Landshut.
(geöffnet zu den üblichen Geschäftszeiten)
Vom Bild der Stadt
Einführung von Johann Haslauer
Zur Ausstellung Stefan Heides
am 27.11.09 in der Neuen Galerie Landshut

Umherschweifend, immer mit Blick auf diese Bilder will ich mich der Thematik „Bild der Stadt“ nähern, der Weise der Aneignung von Städten folgend, die Stefan Heide bei seiner Arbeit anlegt. Nicht systematisch, mit der Absicht, alles in den Blick zu bekommen, was für das Bild der Stadt relevant ist, sondern intuitiv, absichtslos, mich treiben lassend, von einem Aspekt zum anderen flanierend.1

Beim Rundblick merken wir schnell: dies sind Ausschnitte von Städten, von Rom, und Shanghai, Serien von Detailansichten, dazu Zitate aus solchen Serien von Lissabon (im oberen Stock) und nun auch von Landshut (hier unten ein Wandaus-schnitt von einem Haus in der Kirchgasse), keine Gesamtansichten, Veduten, wie das in der Fachsprache heißt, vielmehr charakteristische Details, flüchtige Wahr-nehmungen, schnelle Schnitte, die wir dann zu unserem Film zusammensetzen, zusammen mit den Bildern, die wir bereits von den gezeigten Städten gespeichert haben.

Ein Bild der Stadt entsteht immer erst im Auge des Betrachters. Der amerikanische Städteplaner und Architekt Kevin Lynch hat dies in seinem als Klassiker zum Thema geltenden „The Image of the City“ von 1960 wegweisend herausgearbeitet.2 Das Bild, das sich der Einwohner, der Besucher, der Experte des Städtebaus macht je
nach seiner Interessenslage, seiner mehr oder weniger geschulten Wahrnehmung. Es geht bei Kevin Lynch um die Orientierung des Individuums in seiner Umwelt, um die Lesbarkeit einer Stadt, um die Vorstellung der Stadt als Ganzes in der Wahrneh-mung und um Gemeinsamkeiten bei dieser Wahrnehmung. Was bedeutet die sicht-bare Gestalt der Stadt den Bewohnern? Das Stadtbild, wie es ihnen als inneres Bild erscheint, aber auch, wie es tatsächliche veränderbar ist. In Landshut wird dies derzeit für sehr sensible Bereiche diskutiert: die Altstadtgestaltung (ich erinnere an das bevorstehende Mediationsverfahren dazu), die Neuplanung an der alten JVA (ich erinnere an die Diskussionsveranstaltung des Vereins Architektur und Kunst vom Mittwoch), aber auch die Beplanung am Kaserneneck.

Doch hier in unserer Ausstellung haben wir es mit Bildern als körperliche Träger visuell verarbeiteter Inhalte zu tun. Erhellend mag dazu ein historischer Rückblick sein3: Die Stadt war in der Malerei bis weit ins 15. Jh. hinein kein eigener Bildge-genstand. Wir kennen vereinzelte Stadtdarstellungen aus dem mittelalterlichen Italien. Publikum war bei den ersten Ansätzen meist der Hof, zunächst auch Auf-traggeber der Darstellungen, die für repräsentative Zwecke hergestellt wurden. Daneben fanden symbolisierte Stadtdarstellungen auf Siegeln und Münzen eine größere Verbreitung, auf denen oft auch der Stadtpatron, der Stadtheilige und Repräsentant der Stadt abgebildet war4. Was das innere Bild der Bewohner von ihrer Stadt zum Ausdruck brachte. Mit der Renaissance und der Erfindung der neuen Drucktechniken wie auch der raschen Ausbreitung des Buchdrucks begann sich in ganz Europa ein Markt für Stadtdarstellungen in Form von Stichen zu entwickeln. Zentrales Medium waren in der frühen Neuzeit die sog. „Städtebücher“, die dazu beitrugen, dass sich Städteansichten zunehmender Beliebtheit erfreuten. Als Stich-worte für Darstellungen Landshuts mögen die Namen Heofnagel (bei Braun/Hogen-berg 1572) und Fischer (bei Merian 1644) genügen, die das traditionelle Bild dieser Stadt maßgeblich geprägt haben. Franz Niehoff hat hierzu mit einer Ausstellung der Städt. Museen 2001 eine umfassende Dokumentation erstellt, die aber nur bis Franz Högner reicht und mit dem 2. Weltkrieg endet5. Hier nun anzuknüpfen wäre ein lohnendes Unterfangen.

Doch schnell zurück zum Beginn der Neuzeit: Abnehmer waren in erster Linie Ver-treter der städtischen Oberschicht. Als mit der Darstellung von Städten verbundene Absicht kam dabei auch die der Orientierungshilfe hinzu; so griffen neben den Handelsleuten auch die Kriegsherren jener Zeit gerne auf die angebotenen Stadt-übersichten zurück. In der Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts wurden Stadtan-sichten zum beliebten Motiv der Genremalerei, Abteilung Landschaftsmalerei, – wegweisend für mich Vermeers Ansicht von Delft von 1660, und – noch ein großer Sprung – als mit der Industrialisierung die Fotografie als Medium auf den Plan trat, war dies der Beginn der großen Flut an Städtebildern im 20.Jh. und der wir nun aus-gesetzt sind. Nicht umsonst ist heute die Rede von einem Jahrhundert der Städte, in dem sich das Schicksal des Planeten im Überleben der Städte erweisen wird.

Was in den historischen Städtebildern gezeigt wurde, waren Inszenierungen,
nicht die Wirklichkeit. Es wurde ein Image präsentiert, der eigenen Bevölkerung wie auch nach außen, fortgeführt in den heutigen Marketingbestrebungen der Städte, die bei den meisten ein gewisses Unbehagen hinterlassen, ein – wie es auf der diesjäh-rigen Jahrestagung der Deutschen Akademie für Städtebau und Landesplanung zum Thema „Bilder der Stadt“ im Oktober in Bremen hieß, und ich zitiere aus dem Flyer-Text: „Unbehagen gegenüber einer aus politischen wie ökonomisierten Interes-sen als Marketinginstrument eingesetzten Bildproduktion über Stadt“, also die „emblemhafte Verkürzung städtischer Vielfalt und das Einfrieren des permanenten Wandels auf mediengerechte Botschaften, auf werbende Zeichen im Konkurrenz-kampf der Städte und Regionen“.6

Eine Kollektive Spiegelung des Wir, ein Inneres Bild der Bewohner, die Corporate Identity, wie sie über solchermaßen verbreitete Bilder eingerichtet und verbreitet wird, – das zu zeigen ist nicht die Absicht Stefan Heides, wie er wohl in der Summe jeweils Portraits dieser Städte zeigt. Städte werden bei der Frage ihrer Identität immer wieder mit Personen verglichen: eine Stadt wächst, bildet eine Persönlichkeit aus, altert, verfällt. Ein Vedutenmotiv wäre also ihr „Gesicht“, das Bild/die Bilderserie das „Portrait“ einer Stadt. Das menschliche Portrait taucht hier in dieser Ausstellung wie als Fingerzeig auf. Wie ist es um das Gesicht von Rom oder Shanghai, oder auch Landshut (wenn wir in die Sparkasse gehen) bestellt? Wir sehen Fassaden, Außenseiten, gerne mit Patina, denn im Verfall von Gebäuden lässt sich auch die Zeit ablesen, der Entwicklungsprozeß, der die Kontinuität dieser kollektiven Identität erst herstellt – in der Soziologie wird das ganz aktuell als „Eigenlogik der Städte“ entdeckt.7

Doch das sind nur Krücken für die Wahrnehmung. Die Vorstellung einer Art persona-ler Identität, die man in einem Portrait darstellen möchte, nur eine Projektion, weil die personale Identität nach unserem menschlichen Bilde die einzige Vorstellung von integrierter und integrierender Ganzheit eines komplexen Gebildes ist, über die wir verfügen. Die menschlichen Portraits also hierzu Erinnerungen, Fragezeichen.
Eine Stadt als – durch die darin stattfindende Kommunikation – vernunftbegabter Organismus, in permanenter (auch ökologischer) Transformation, ein System, das sich als Ganzheit begreift, in dem sich seine Einwohner /Elemente bestmöglich entfalten können, die im Gegenzug „der Stadt Bestes suchen“, – das wäre wohl eine erstrebenswerte Utopie. Aus diesem Blick gibt es für mich kaum etwas Aufregende-res als Portraits von Städten.

Stefan Heide hat mir von einem Traum erzählt, einem immer wiederkehrenden Traum, in dem er sich in einer Situation des Ausgesetztseins findet. Die Stadt als Sozialraum, die Stadt als Gemeinschaft kommt darin nicht vor. Für Landshut könnte die Martinskirche vielleicht Symbol dafür sein, so wie das auf der Einladungskarte gezeigte Linbrunner- oder Bürger-Portal von St. Martin Zugang ist zu diesem gemeinsamen Innenraum, der die Bewohner der mittelalterlichen Stadt noch alle fassen konnte und mit dem Innen allen Seins, einer allen gemeinsamen Transzendenz verband.
Anmerkungen

1 Gemäß der Methode der Stadterkundung, die in den 50er Jahren die Situationisten entwickelten

 

2 Kevin Lynch, The Image of the City. MIT Press & Harvard University Press, Cambridge, Mass. 1969. Dt.: Das Bild der Stadt. Bauwelt Fundamente 16, Friedrich Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft Braunschweig 1965

 

3 Einen guten Überblick gibt Wolfgang Behringer und Bernd Roeck (Hrsg.), Das Bild der Stadt in der Neuzeit 1400-1800. Verlag C.H.Beck, München 1999

 

4 Vgl. Jörg Oberste (Hrsg.), Repräsentationen der mittelalterlichen Stadt. Forum Mittelalter Studien Bd. 4, Schnell + Steiner, Regensburg 2008

 

5 Franz Niehoff (Hrsg.), Landshut ins Bild gesetzt. Karten und Ansichten vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Schriften aus den Museen der Stadt Landshut 19, Hrsg. v. Franz Niehoff, Landshut 2001

 

6 vgl. www.dasl.de/wordpress/wp-content/uploads/DASL-JT2009%Bremen.pdf

 

7 Martina Löw, Soziologie der Städte. Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main 2008
siehe auch:

http://www.musicandmeaning.net/issues/showArticle.php?artID=6.6


Johann Haslauer (b.1950) is a journalist and conceptionalist who works in press distribution and on the curating staff of Neue Galerie Landshut for Contemporary Art, Landshut, Germany. He has a background in philosophy, philosophical anthropology and Zeitungswissenschaften/communication science at the University of Munich. From 1977-87 Haslauer was engaged in local journalism and various newspaper projects as an editor and/or journalist. From 1986-1988 he participated in the Arcosanti workshop and in working periods at the experimental city-building project Arcosanti in the high desert of central Arizona, USA. 1989-1995 Haslauer was active in local political and cultural activities together with cultural groups and city council members in Landshut, focusing on cultural activities in the public sphere. One such project was the preservation of the old Landshut Slaughterhouse of cultural purposes. From 1995-2008 he was active within the contemporary art context provided by Neue Galerie Landshut. In 2004 he curated the StadtLAge2004 Project, https://www.ngla.de/index.php?stadtlage2004index&reason=0, for Neue Galerie Landshut and in 2006 Haslauser gave a presentation entitled “Cities are Individuals” at the Western Humanities Alliance Conference held in Calgary, Canada. He lives with his family in Landshut, Germany.
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Silvia Schreiber: „up to the sky“

Eine Rauminstallation in der Erlöserkirche Landshut


Eien raumfüllende Installation „up to the sky“ zeigt Silvia Schreiber auf Einladung von Pfarrer Dr. Flothow in der Landshuter Erlöserkirche.

Die Installation ist noch bis 20. November zu sehen. Die Kirche ist täglich geöffnet.

Im Mittelpunkt der bildnerischen Arbeit Silvia Schreibers steht der Mensch – zum einen als anonyme menschliche Figur, wie auch in dieser Ausstellung; zum anderen als Porträt in Form der Büste. Wobei – man sollte bei dem Begriff Büste nicht die Monumenten gegen die Vergänglichkeit vorstellen sollte, wie sie etwa in der Walhalla zu sehen sind.
Allein schon das Material ihrer Skulpturen, japanisches Papier, ist hierfür viel zu vergänglich und veränderlich.
Veränderung bestimmt auch deren Herstellungsprozess. Am Anfang stehen Fotografien einer Person; diese dienen dazu, eine Büste aus Ton zu formen. Die dabei entstehende Skulptur ist weniger eine naturgetreue, als vielmehr eine impressionistische, gefühlsmäßige Wiedergabe.
Danach erstellt die Künstlerin aus der Vorder- und Rückseite der Skulptur eine Negativform aus Gips. Sie geht hier also traditionell bildhauerisch vor, ohne jedoch nun Bronze in die Form zu gießen. Sie legt vielmehr kleine Stücke farbigen, japanischen Papiers hinein und verklebt diese. Nachdem die Form entfernt ist, entsteht so eine Abbildung eines Menschen, die wörtlich hauchdünn und federleicht ist.
Da sie auf einen Sockel verzichtet, muss die Künstlerin andere Strategien wählen, um die Skulpturen mit einer schützenden Aura zu versehen. Sie tut dies, indem sie sie in Beziehungs-Geflechte stellt – in einem erweiterten und in einem wörtlichen Sinne:
Keine Arbeit bleibt unabhängig vom Ort, von den Personen und Beziehungen, in denen und für die sie entsteht – im Gegenteil, all dies wird Teil der Skulptur. Und jede Arbeit steht in Beziehung zu allen anderen, greift Aspekte einer vorhergehenden auf und entwickelt sie weiter – ich möchte dies anhand zweier Arbeiten veranschaulichen, die der heutigen Installation vorausgingen:Ihre Installation „Hanami“, die sie 2004 in der Neuen Galerie zeigte, gehört für mich zum Berührendsten, was ich in meiner 25jährigen Arbeit mit aktueller Kunst erfahren durfte. Es handelte sich um ein Porträt des japanischen Galeristen Nobuo Yamagishi, der vor dreißig Jahren als erster begann, in Japan zeitgenössische Kunst zu zeigen. Die Installation bestand aus einer Büste des Galeristen aus zartem blauen Papier, flüchtig in den Raum gehängt auf einer transparenten Folienbahn. Drumherum stand ein minimales technisches Equipment für zwei Schallplattenspieler. Auf ihnen drehten sich unaufhörlich zwei Scheiben: auch dies Porträts, oder genauer: Abformungen der Originalplatten aus Kunstharz, die Lieblingsmusik des Galeristen: eine Aufnahme von Velvet Underground sowie ein japanisches Traditional. Dieses optische und akustische Geflecht aus wenigen Dingen genügte Silvia Schreiber, um daraus die Essenz dessen zu formulieren, was die fragile, geheimnisvolle und so überwältigende Schönheit einer menschlichen Existenz ausmacht.

Wenige Jahre später zeigte sie, ebenfalls in der Neuen Galerie, eine Büste aus weißem Papier, die deutlich ihre eigenen Züge trugen. Ein Porträt, fast leicht wie Luft. (Es wog ziemlich genau 30 Gramm – manche behaupten, dies sei genau das Gewicht, um das ein Mensch leichter wird, wenn die Seele im Augenblick des Todes den Körper verlässt). Dieses Porträt hing wortwörtlich an einem seidenen Faden: es wirkte wie ein Spiel, ein Mobile und war zugleich eine konzentrierte Meditation über die Gefährdung des Individuums. Auch dieses Proträt war umhüllt, doch war aus einer einfachen Plastikfolienbahn ein Jurte-artiges Gebilde aus weißlichem Kunststoff geworden; es erinnerte an Vorhänge, die man in Hospitälern und Lazaretten einzog, um Raum für einen Kranken zu schaffen. Auch in diesem Selbstporträt wirkte jener weiße Raum wie ein die Intimität schützender Vorhang. Er hatte jedoch Öffnungen in der abgerundete Form von Bildschirmen. Sie erlaubten Blicke von innen nach außen, wie bei einer Video-Überwachung. Andererseits gaben diese Öffnungen auch den Kopf im Inneren den Blicken von außen preis. In diesem steten Hin und Her der Blicke durch die transparente Schutzhülle entwickelte sich ein Gedankenspiel über Beschützheit und Gefährdung – nämlich von Beobachtung und Beschädigung – und damit ein Bild heutiger menschlicher Existenz.

Der Büste der Künstlerin gegenüber befand sich ein weiterer Raum aus schwarzer Baufolie, in dem eine Büste des damaligen amerikanischen Präsidenten ebenfalls an einem Faden pendelte. Die schwarze Folie trug eine Art Scherenschnitt-Struktur, welche aus der Übereinanderlagerung menschlicher Figuren entstanden war.
Anhand des baumelnden, vom Wind bewegten Porträts des irdischen Lenkers der Welt stellten sich Fragen nach der Machbarkeit von Geschichte und deren Grenzen – und nach der Fragilität aller Existenz.
Dabei sind Silvia Schreibers Figuren selbst zerbrechliche Hüllen um einen leeren Kern, um eine offene Frage als Essenz des Subjekts, und sie schließen immer auch gedanklich die umgebende architektonische Hülle mit ein.
Die Vorhänge, Planen, Umhüllungen, die sich wie ein weiterer Raum zwischen Körper und Architektur schieben, bilden eine trübe Projektionsfläche zwischen innen und außen, hier auch von unten nach oben, die den Betrachter als Teil des Kunstwerks mit einbeziehen. Sie bilden wacklige Angebote an seine tastende Wahrnehmung, bieten Klärung und verunklären zugleich, denn sie lassen das Licht, nicht aber den Blick durchdringen – außer an einigen wenigen Öffnungen. Und genau hier, sagt der japanische Kunstkritiker Shigeo Chiba über Silvia Schreibers Arbeiten, „erfährt die visuelle Wahrnehmung eine gewisse Leere. Das ist der Moment, in dem sich ihre Arbeit vollständig manifestiert.“
Und es ist der Moment, in dem sich ein unreduzierbarer, geheimnisvoller Rest offenbart, mit dem wir leben müssen..
Der amerikanische Dichter Mark Strand sagt: „Wir leben mit Geheimnissen, aber wir mögen das Gefühl nicht, dass wir es tun. Ich denke aber, wir sollten uns daran gewöhnen. Wir meinen, dass wir wissen müssen, was die Dinge bedeuten, um auf der Höhe von diesem oder jenem zu sein. Ich glaube aber nicht, dass es eine sehr menschliche Eigenschaft ist, dem Leben gegenüber so kompetent aufzutreten. Diese Haltung hat jedenfalls nur sehr wenig mit Poesie zu tun.“
Silvia Schreibers Werke dafür aber umso mehr.
F. S.

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IVO RINGE | HEATHER SHEEHAN

Malerei | Objekte


HEATHER SHEEHAN

„beings“

IVO RINGE
„…denn da ist keine Stelle, die Dich nicht sieht.“

Eröffnung: Freitag, 30. Januar 2009, 20:00 Uhr

31. Januar – 22. Februar 2009
do – so 14:00 – 17:00 Uhr

Führungen durch die Ausstellung
Sonntag, 15. und Sonntag, 22. Februar 2009, 15:00 Uhr

mit freundlicher Unterstützung
der Stadt Landshut und der Sparkasse Landshut

Heather Sheehan
beings

„beings“
sculpture installation
and works on paperHeather Sheehan, a New York artist based in Cologne, Germany, presents a new installation of tiny, animal-like sculptures which are nesting in a forest of abstract, wooden structures. Elevated to our eye-level, each of the embryo-like creatures has been given its own place to perch or rest. Heather Sheehan has also created delicate portraits of the „beings“ in pencil and water color. Both the installation and the works on paper make evident the dignity with which the artist views these curious creatures. In the Neue Galerie Landshut, the „beings“ peacefully wait to take up dialog with the viewers.

Zu dem Werk der Bildhauerin Heather Sheehan zählen neben Skulpturen, Installationen, Videos und Performances auch Zeichnungen. Thematisch beschäftigt sie sich in ihren Arbeiten mit Lebewesen, zum einen mit dem Menschen, seiner Gesellschaft und Kultur, zum anderen mit Wesen, die sich einer gängigen Klassifizierung weitestgehend entziehen.

Die Künstlerin zeigt hier in Landshut eine Installation mit der Werkgruppe der sog. BEINGS, von „to be“ = „sein“. BEINGS bedeutet Dasein, Sein, Wesen. Und es handelt sich um kleine Wesen, deren Gattung sich nicht eindeutig bestimmen lässt. Sie scheinen einfach da zu sein. Diese BEINGS entstehen seit 2004 in losen Folgen.
Wir sehen hier eine Installation aus mehreren sehr fragilen Zeltkonstruktionen aus jeweils 4 Holzleisten gebaut, die oben mit Bienenwachs zusammengehalten werden. Es werden auch Assoziationen wach zu Bäumen, einem Wald oder gar einer Landschaft. Die Holzkonstruktionen sind teilweise bis zu 2 m hoch, also übermannsgroß. Darin befindet sich jeweils auf Augenhöhe ein Filzlager, eine Art Nest aus weißem oder grauem Filz, in dem je ein winziges, vielleicht 10 cm kleines Wesen aus weißem oder grauem Viscoseplüschfell seinen Platz gefunden hat. Das ganze Arrangement wirkt geheimnisvoll, wie in die Welt geworfen.
Die BEINGS sitzen oder liegen, wirken hellwach oder schlafend und weisen einige Gattungsmerkmale von Säugetieren auf. Keines ist angelehnt an eine echte Kreatur, sie ähneln höchstens Mäusen, Vögeln oder Maulwürfen. Sie sind somit fremd und vertraut zugleich. Sie haben einen pelzigen Rumpf, kleine Ärmchen, Beinchen, Augen, eine Nase, sind aber alle unterschiedlich in ihrer Gestaltung und vor allem auch ihrem Ausdruck: einige sind aufmerksam, scheinen dem Blick des Betrachters zu folgen, manche wirken dagegen sehr schutzbedürftig, eines hat die Augen geschlossen wie im Schlaf (SLEEPING BEING), manche wirken frech, stolz, weise, verlassen oder hilfsbedürftig. Der individuelle Ausdruck eines jeden irritiert und bewirkt beim Betrachter Unbehagen. Sie alle haben einen Blick, der sich auf ihr Gegenüber, also auf uns richtet. Diese Begegnung mit dem Betrachter wird gelenkt, je nach Anordnung der Holzkonstruktion und der Höhe des Nestes.
Die Behausungen stehen recht vereinzelt da, so dass der Besucher sie umschreiten kann. Sie sind sehr fragil, stellen aber zugleich eine Fürsorge für ihren Bewohner dar, bieten ihm eine Wiege. Durch die Vereinzelung kann keine Kommunikation stattfinden, jedes BEING ist für sich. Diese ganze Installation ist im Raum inszeniert, auf dem Boden liegt Kleintierstreu, als seien die Nester gerade gebaut worden. Wir Betrachter bekommen Hinweise, dass wir respektvoll mit den unbekannten Wesen umgehen sollten, dass sie wertvoll sind und keine ausgestopften Trophäen oder Spielzeuge.
Wir sehen uns konfrontiert mit kleinen Wesen, mit einem unbekannten Leben, das nicht einzuordnen ist, und nun stellt sich uns unweigerlich die Frage, wie wir dem begegnen, damit umgehen. Welche Gefühle wecken diese Kleinen in uns: Fürsorge vielleicht. Sie verweisen in ihrer Fragilität, ihrem reinen Weiß auf ihre Verletzlichkeit und in einem größeren Zusammenhang gesehen auf die Verletzbarkeit des Seins überhaupt. Lässt sich der Betrachter darauf ein, so kommt es zu einer Art Dialog mit diesen Wesen, Überdenken der eigenen Haltung, des eigenen Standpunktes. Die Künstlerin stellt die Frage nach der Toleranz gegenüber Andersartigkeit.

Zur künstlerischen Vorgehensweise möchte ich noch erwähnen, dass die Künstlerin mit einer Plastilinform beginnt, sie bestimmt dabei die Größe während des Knetens. Anhand der Form wird dann ein Schnittmuster angefertigt. Im Fühlen des Stoffs während der Arbeit wird entschieden, wie die Figur aussehen soll, ob sie Ohren bekommt, einen Schnabel etc. Das ist nicht im Vorhinein klar. Später werden aus Kunstharz Details angesetzt, wie Augen, Pfoten. Während des Arbeitsprozesses mit den Materialien entscheidet sich, welche Position die neuen BEINGS haben werden. Die Künstlerin sagt dazu: „Wenn ich mit der Arbeit beginne, ist alles noch offen, irgendwann gehen die Figuren eine Beziehung mit mir ein, bestimmen ihre Position.“ – Zitatende
Diese sehr persönliche Beziehung zwischen den Wesen und der Künstlerin, die in der langwierigen Arbeit an den Skulpturen entsteht, wirkt auch auf den Betrachter zurück.
Die Auseinandersetzung der Künstlerin spiegelt sich in den Papierarbeiten wieder, von denen hier eine Auswahl zu sehen ist. Die Zeichnungen, in Aquarell oder Zeichenstift ausgeführt, sind Porträts der BEINGS, die im Anschluss an die Wesen entstehen. Es handelt sich also keinesfalls um Vorzeichnungen.

Dr. Nanna Preussners

Ivo Ringe
denn da ist keine Stelle, die Dich nicht sieht…


IVO RINGE

Ivo Ringe bedient sich ganz anderer künstlerischer Mittel als Heather Sheehan, wie schon der erste Blick zeigt: er hat sich der reduzierten, gegenstandsfreien Kunst verpflichtet und kreiert mit den Möglichkeiten der Malerei eine ganz eigene Bildwelt.
Seine Arbeiten sind reich an Struktur und Bewegung. Sie zeigen auf monochromen oder farblich unterteilten Untergründen Linien, Pinselstriche, die sich zu einer netzähnlichen Struktur zusammenfügen. Dabei entsteht eine sich in alle Richtungen fortsetzende Bewegung, die das Bild und den umliegenden Raum dynamisiert. Bei einigen Arbeiten scheint diese Struktur über die Bildränder hinweg zu wachsen, um sich dort endlos auszudehnen.
Bei anderen Werken bilden die Farbstriche eine in sich geschlossene Form mit einer netzähnlichen Binnenstruktur, deren Größe und Proportion sich am Format der Leinwand orientiert. Diese geschlossenen Formen wirken monumental und scheinen optisch aus dem Bild hervorzutreten. Sie ähneln fast Skulpturen oder auch Gesichtern. Häufig benennt der Künstler sie nach Göttern aus der griechischen Mythologie wie PALAS ATHENE oder HERAKLES.
Die gestischen Farbstrukturen überlagern sich und ziehen den Blick des Betrachters in die Tiefe eines komplexen, mehrdimensionalen Raumes.
Die Farblinien, die je nach Farbauftrag mal durchscheinend, mal undurchdringlich sind, geben in ihrer Struktur und ihrem Verlauf Zeichen ihres Entstehungsprozesses preis. Der Blick des Betrachters folgt den Spuren des Pinsels, die feinste Linien im Strich zurückgelassen haben. An den Stellen, an denen die Striche zusammentreffen und sich gleichermaßen in verschiedene Richtungen trennen, scheinen in einigen Bildern die Punkte durch, die der Künstler auf den farbigen Untergrund setzt, bevor er im weiteren Prozess beginnt, diese Punkte miteinander zu verbinden. Die Entscheidung, ob die gesetzten Markierungen zu einer geschlossenen Form verbunden werden oder sich über die Bildgrenzen fortsetzen, fällt während des Malens ganz intuitiv. Der Künstler nimmt dabei seine ganze Absicht raus und lässt die Energie der eigenen Schöpfungskraft zu.
Ringe verlässt dabei die feste, vorweg genommene Vorstellung von einem Bild, um der Wahrnehmung im Augenblick des Entstehens einen Raum zu schaffen. Darum spricht er auch immer wieder in Bezug auf seine Arbeiten von einer „Malerei des Augenblicks“. In einem Gespräch im vorigen Jahr sagte Ivo Ringe zu mir:
„Am Anfang eines neuen Bildes lege ich mit der Farbe und Aufteilung des Hintergrunds die Grundtöne des Bildes, die „Bässe“ fest. Dann setze ich die Energiepunkte darauf, und die verbinde ich. Auf welche Art und Weise die verbunden werden, das passiert während des Malens ganz intuitiv. Ich versuche mich soweit wie möglich da heraus zu nehmen. Dann, aus der Farbe, aus der Gestik, entstehen diese Strukturen, die immer anders sind.“
Die Wahl der Farben für ein Bild variiert bei Ringe sehr, je nachdem, wie der Künstler das Werk gewichten will. Die Farbzusammensetzungen sind Schicht für Schicht übereinander gelegte und mit großer Erfahrung austarierte Mischungen und werden für den Betrachter zum sinnlichen Erlebnis.
In seiner künstlerischen Vorgehensweise agiert Ringe intuitiv, seine Bilder senden Impulse an uns Betrachter, an unsere Wahrnehmung und unser Denken.„… denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht.“ ist der Titel von Ringes Ausstellung hier in Landshut und zugleich der Titel dieses nicht nur wandfüllenden sondern auch raumfüllenden Bildes. Als Betrachter hat man das Gefühl im Bild zu stehen, von ihm umschlossen zu sein. Der Titel ist dem Gedicht „Archaischer Torso Apollos“ von R. M. Rilke aus dem Jahr 1908 entliehen, das die Begegnung des Dichters mit einer griech. Statue des Gottes Apoll (Gott des Lichts und der Weisheit, Beschützer der Künste) im Louvre schildert. Im Angesicht dieses Körperfragments, ohne Arme, Beine, Kopf und Geschlecht spürt der Dichter ein Übermaß an Männlichkeit, Vitalität und göttlicher Energie, das ihn geradezu demütigt. Er schaut die Statue an und die Statue blickt ihn an, woraufhin er eine Stimme aus dem Stein vernimmt, die eben sagt: „… denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht. Du musst dein Leben ändern.“
Dieser Betrachter wird ergriffen, fühlt sich angesprochen, erschüttert, in seiner eigenen Existenz berührt und erlebt den einen Satz: „Du musst dein Leben ändern.“
Das Kunstwerk ist nicht nur der Betrachtung ausgeliefert, sondern fordert den Blick. Der Betrachter wird selbst zum Objekt der Betrachtung, und die ist keineswegs unverbindlich, sondern – wie von Rilke empfunden – schonungslos. Die Werke der Kunst senden Impulse an die Wahrnehmung und an das Denken. So wird aus dem Betrachter selbst ein Angeschauter.
Und wenn wir jetzt gedanklich noch einmal runter gehen zu den kleinen BEINGS in ihren Nestern und uns daran erinnern, wie jedes dieser Wesen seinen eigenen Blick hat, der auf den Betrachter gerichtet ist, so wird deutlich, wie sehr dieser Satz: „… denn da ist keine Stelle, die dich nicht sieht.“ auch für Heather Sheehans Kunst Gültigkeit hat.

Dr. Nanna Preußners

 

Eröffnung
Einführung Dr. Nanna Preussners, Hamburg

 

Heather Sheehan, Ivo Ringe, Dr. Nanna Preusnners


Unter den Gästen: John Groom und Rupert Eder
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Alexander Stern

Installation & Zeichnung

Eröffnung: Freitag, 06. März 2009, 20:00 Uhr
Einführung: Daniela Ebster, Kulturreferat München07. März – 29. März, DO – SO 14:00 – 17:00 Uhr

http://www.alexanderstern.de

 

Denk dir nichts?
begehbare Rauminstallation 2009
Materialien:Neonleuchtschriften („so still, dass man alles hört“, „denk dir nichts“),Papierkneuel, Modelleisenbahn (rote Lokomotive mit Lokführerfigur und Beleuchtung, 26m Schienen in unregelmäßiger Kreisform auf dem Boden verlegt), Holztisch, geloopte Soundinstallation „Schnurren“, mp3-Player, Lautsprecher.
Ausstellungsansicht: Neue Galerie Landshut, März 2009

In der Neuen Galerie Landshut zeigt Stern erstmals seine Installation „denk dir nichts“.
Der Besucher gelangt über eine Treppe in die obere, etwa 130 qm große Etage der Galerie. Der gesamte Boden ist mit weißen, zerknüllten Papierblättern bedeckt, die sich in der Tiefe des Raumes immer höher schichten und eine Landschaft formen. Mitten durch diese Papierberge dreht eine Modelleisenbahnlokomotive auf den am Boden verlegten Schienen ihre Kreise. Beleuchtet wird diese Szene lediglich von zwei Neonleuchtschriften an der Rückwand sowie an der linken Seitenwand. Während die frontal platzierte weiße Neonleuchtschrift „denk dir nichts“ den Raum von hinten erhellt, flankiert im vorderen Teil des Raumes die Leuchtschrift „so still, dass man alles hört“ einen Holztisch. Aus einem geöffneten Spalt dringt ein monotones Schnurren, das der Künstler in der Tischschublade hinterließ…

Stern realisierte bereits zahlreiche Projekte im öffentlichen Raum, wie z.B. seine Arbeit Flugmaschine in Dae Jon (Südkorea) und in Biel (Schweiz), die bewegliche Installation Bananenaufzug in Rimini (Italien) oder die Arbeit Haus George in einem Stadtpark in Bern. Für das Jahr 2009 ist die Teilnahme an einer Ausstellung im öffentlichen Raum in Peking geplant. Neben Installationen und Projekten beschäftigt sich Stern mit Malerei und Zeichnung.

Alexander Stern, 1976 in Deggendorf geboren, studierte von 1996 – 2002 an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Prof. Res Ingold. Im Jahr 2000 studierte er an der Bauhausuniversität Weimar bei Prof. Jill Scott und Prof. Barbara Nemitz.
2002 legte er sein Staatsexamen an der Akademie der Bildenden Künste in München ab und ist seitdem freischaffender Künstler. Darüber hinaus unterrichtet er Kunst am Johannes-Turmair-Gymnasium in Straubing. Stern lebt und arbeitet in Straubing.

 

 

Zeichnung
Alexander Stern

In der ersten Etage hingegen sind Zeichnungen zu sehen. Stern’s Motive stammen dabei aus seiner direkten Umgebung: so fließen Blicke aus dem Fenster der Wohnung, Situationen des Alltags und die sich dabei herauskristallisierenden Detail-beobach-tungen in seine Bildwelt ein – oder er steigt in ein Flugzeug und fotografiert die Landschaftsstrukturen aus der Vogelperspektive. Er erweitert dieses Momenthafte, Erblickte, Zufällige indem er sich aus dem Fundus der medialen Welt bedient. Seine Bilder verarbeiten somit auch fotografische Vorlagen, Zeitungsabbildungen und Internetbilder.

Am Computer löst der Künstler die digitalisierten Bilder flächig auf, reduziert sie auf Archetypen seiner eigenen Erfahrungswelt, um sie anschließend wieder in analoge Kompositionen mit neuen inhaltlichen Zusammenhängen zu transformieren. Dabei zeichnet er mit Eddingstiften und malt in Öl auf Holz oder Leinwand. Wie ein Tintenstrahldrucker bewegt er sich konsequent von links nach rechts, von oben nach unten, bis die Malfläche netzartig markiert ist. In manchen Bildern unterstreicht Stern den konstruierten Charakter seiner urbanen, aber auch landschaftlichen Ansichten, durch ein feines rotes Liniennetz als deren Basis. Assoziationen zu Stadtplänen und Landkarten entstehen. Es lassen sich vereinzelt Hausdächer oder Flusswindungen erkennen. Details, die der Künstler bewusst als Hinweise hinterlassen hat.

Sterns Zeichnungen wirken trotz seiner strengen Vorgehensweise keineswegs starr, denn durch eigene Fehler, unregelmäßige Konturen und dem klar erkennbaren Pinselduktus werden gesetzte Strukturen wieder aufgebrochen. Auf diese Weise führt Stern Planung und Zufall vielschichtig und assoziationsreich zusammen. Vielfach erinnert seine urbane Bildwelt durchaus auch Naturlandschaften, ein Vergleich, der dem Künstler sehr wichtig ist. Ihn interessieren gerade diese Überschneidungen von natürlicher und von Menschen geformter Umgebung. Dabei spiegeln seine Kompositionen, die zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion oszillieren, eine sehr subjektive Perspektive. Vor allem in seinen neuesten Arbeiten erscheinen Gebäudeelemente als sparsam eingesetzte Wirklichkeitszitate neben inneren Bildwelten. Und wie so oft in den Arbeiten von Alexander Stern, eröffnen diese einen tiefsinnigen wie humorvollen Blick auf die äußere Welt.

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Michael Jochum & Dietrich Klinge

Augen für die Dauer der Dinge


AUGEN FÜR DIE DAUER DER DINGE
Dietrich Klinge & Michael Jochum
Bildhauerei & FotografieEine Ausstellung kuratiert von Martin PaulusEröffnung: Freitag, 24. April 2009, 20:30 Uhr
JENSEITSDINGE, DIESSEITSDINGE . . .
Martin Paulus (Texte, Stimme) & Thomas Carl (Klang, Perkussion)
Hierzu sind Sie und Ihre Freunde herzlich eingeladen!

Wir weisen herzlich hin auf die Eröffnung der Ausstellung
„Elisabeth Mehrl – Malerei“ im Kunstverein Landshut um 19:00 Uhr!

Ausstellungsdauer: 25. April – 17. Mai 2009    do – so  15:00 – 18:00 Uhr
Achtung: Sommeröffnungszeiten!

R.o.T.

…aus den Archiven subjektiven Erinnerns

wird ein allgemeines Repertoire geschaffen, das an Bilder aus der eigenen Familiengeschichte erinnert.
Familienbilder werden durch erneutes Fotografieren (Refotografie) auf ihren Erinnerungsgehalt und ihre eigene Vergangenheit befragt. Ausschnitte, Unschärfen und Beleuchtung lassen neue Bilder entstehen.

Material und Gebrauchsspuren werden sichtbar und  verweisen damit auf Vergangenheit und Geschichte. Wie Erinnerungen zeigen sie Risse, Spuren, Kratzer oder verschwimmen mehr oder weniger.

Die Arbeit will keine Familiengeschichte anhand von Bildmaterial rekonstruieren, sondern bleibt wie  Erinnerung bruchstückhaft und durchsetzt mit anderen Bildern.
Einzig die Bilder rekonstruieren ihre eigene Geschichte.

Michael Jochum

Dietrich Klinge

 

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Anja Ganster | Ulla Maibaum

 

Anja Ganster

 

Die Bildräume, die Anja Ganster in ihren Innenansichten schafft, sind ebenso anregend wie auch verwirrend. Der erste und bleibende Eindruck ist, man sei zufällig in ein Bild eingetreten – in Umgebungen, deren Atmosphäre derart aufgeladen ist, dass jedes Detail geradezu mit Energie pulsiert. Es ist spürbar, dass die Bilder für Ganster einen
autonomen Ort darstellen, wo sie Dinge erkunden kann, die in der Wirklichkeit schwer zu begreifen sind…Es ist vor allem Gansters Umgang mit Licht, der die Wahrnehmung der Interieurs als Orte prägt und Dimensionen der Wirklichkeit freilegt, die dem Betrachter normalerweise verborgen bleiben…
In Gansters Arbeiten wird das Licht… zu einer beinahe tastbaren Substanz… Geschaffen durch das Aufbringen mehrerer Schichten sowie eine souveräne Handhabung der Farbe, die der fotografischen Klarheit eine leicht aufgetragene Farblavierung gegenüberstellt, verstärkt das Licht die Dynamik des Bildes.
(Felicity Lunn, übers. von Aileen Derieg)

Ulla Maibaum

Die Gesichter in Ulla Maibaums Bildern sind von Schatten verhüllt, von Vegetation einer mysteriösen Landschaft zerschnitten oder auf sonstige Weise verborgen; sie wirken einer anderen Welt zugehörig und sind doch in einer bedrängenden Weise anwesend -wie eine Szene aus einem David-Lynch-Film. Bereits über frühere Arbeiten von Ulla Maibaum sagt der Kurator Andreas Beer: “Nirgends ist etwas Spektakuläres auszumachen und dennoch liegt etwas Bedrohliches in der Luft. Die Idylle ist voller Spannung…” Doch auch wenn Maibaums Bilder wie flüchtige und ephemere Film-Stills wirken, sind sie doch Malerei, in einer ebenso zwiespältigen Materialiät und Körperlichkeit: Es sind Aquarelle auf Japanpapier, und dieses dünne Material macht sie verletzlich, wie jedem Windhauch ausgeliefert – doch die farbigen Spuren auf ihnen sind kräftig, dynamisch, entschlossen. Sie behaupten eine Realität, die den Betrachter überwältigt, um sich sogleich wieder in ein verwirrendes Dickicht des Halbschattens, in ein gleichwohl anwesendes Anderswo zurückzuziehen.

Der etwas andere Diavortrag

seine Diavortäge sind Kultereignisse und gelten wegen ihrer Seltenheit
als Geheimtipp.
Einen seiner wenigen Dia-Abende hält der Münchner Künstler Marius
Pfannenstiel am Samstag, 11.07.2009 um 19:30 Uhr in der Neuen
Galerie Landshut.

Wir bieten unseren Besuchern exklusiv die Möglichkeit, einen solchen
Dia-Abend in der Neuen Galerie Landshut zu besuchen, und beschränken
unser Angebot auf 30 Sitzplätze und 20 Stehplätze.

DER ETWAS ANDERE DIAVORTRAG

Vom Mond zur Perle, vom Reif zum Reifen. Wer sich in solchen
Assoziationsketten treiben lassen möchte, wer selbst gerne
absurd-logische Verbindungen herstellt oder gewöhnliche Gegenstände
einmal aus einem anderen Blickwinkel erleben will, der st bei einem
Diavortrag von Marius Pfannenstiel genau richtig. Dinge verwandeln sich
in Sprichwörter und dann wieder in Tiere. Die permanenten
Transformationen sind nur möglich, weil sich der Münchner Künstler in
seinen Bildfolgen kosequent nach bestimmten Aspekten orientiert, ohne
dabei auf zeitliche oder lokale Zusammenhänge zu achten. Zudem sind es
nicht die menschen, sondern ihre Spuren in der Zivilisation, die ihn
interessieren. Unterstützt werden diese Diareihen durch humorvolle,
sparsame Kommentare des Künstlers, der nach 17 Jahren des Fotografierens
ein immenses Archiv an Aufnahmen angesammelt hat.
Unter dem Titel „Bilder aus dem Schrank“hält er am Samstag, 11. Juli um
19:30 Uhr einen dieser Vorträge, die immer mehr in den Mittelpunkt
seiner künstlerischen Produktion rücken. Weites Thema seiner
Bilderauswahl, die er anlässlich der Ausstellung von Ulla Maibaum und
Anja Ganster in der Neuen Galerie zeigt, ist „alles über Schmuck“.

Der Vortrag dauert ca. 40 Minuten.
Karten für Sitzplätze kosten je 8.- €, Stehplätze je 5.- €
Fördermitglieder und Mitglieder des New Collectors Club sowie Schüler,
Studenten und Schwerbehinderte erhalten jeweils 30 % Ermäßigung.

ANMELDUNG BITTE AUSSCHLIESSLICH PER E-MAIL UNTER
NG.LA@T-ONLINE.DE

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Nähe & Ferne I Dagmar Pachtner

Nähe und Ferne I. Dagmar Pachtner

Ausstellungsorte:
Museum im Kreuzgang Landshut:
1. August –4. Oktober 2009 | dienstags bis sonntags 10:00–17:00 Uhr

Neue Galerie Landshut im Gotischen Stadel auf der Mühleninsel:
1. August –6. September 2009 | donnerstags bis sonntags 14:00–17:00 Uhr

Vorankündigung:
Nähe und Ferne II – sechs japanische Gegenpositionen
Neue Galerie Landshut – Eröffnung zur Kunstnacht 11.09.2009

Ouverture

Motion
Das Interesse an den Grundlagen des Menschlichen, der menschlichen Identität, des menschlichen inneren Antriebs zur ständigen Weiterentwicklung, ständiger Bewegung … ist eines der Hauptthemen meiner künstlerischen Arbeit. In diesem thematischen Zusammenhang stehen die Arbeiten der beiden Ausstellungen in Kyoto, Motion und Overtures. Die Arbeiten sind während eines Aufenthaltstipendiums am Kyoto Art Center entwickelt und ausgeführt worden:
– eine Videoinstallation für das Kyoto Art Center
– Fotoarbeiten, die auf japanisches Papier gedruckt sind und eine großformatige Rauminstallation in der Galerie Artislong.

Bahnhöfe sind Schnittstellen der Gesellschaft und auch deshalb besonders interessant für dieses Projekt. Videoaufnahmen und Fotos sind am Bahnhof in Kyoto entstanden – am gleichen Ort, in der gleichen Situation. Sie zeigen den Bewegungsablauf der Menschenmenge aus ungewöhnlicher Perspektive – Vogelperspektive.

Für beide gilt: ein Moment im Fluss, im Lauf des Lebens, des Fortbewegens, des Antriebs, des Ziel vor Augen Habens – wird „herausgeschnitten“. Die durch Film und Bild erzeugte Distanz ermöglicht eine Art analytischen Blick auf Verhalten, Bewegungsabläufe, Bewegungsmuster.

Was bewegt den Menschen heute, wie geht die Entwicklung voran? Wie auch immer – es findet statt im Rahmen (all)täglicher Abläufe und Ereignisse.

DP. 2006

Net


Die Fotos für diese fünfteilige Arbeit wurden innerhalb kürzester Zeit – in derselben Minute – 2004 am Bahnhof Shinjuku, Tokyo, aufgenommen.

Die Arbeit befasst sich mit Distanz und Nähe zwischen Asien und Europa in
– Wahrnehmung
– Erkenntnis
– Kultur
– individuellen Besonderheiten

Ereignisse der Realität sind sichtbar und gleichzeitig doch verborgen. Es gibt eine Annäherung an die Situation hinter dem Vorhang. Der Vorhang bewegt sich. Die Distanz schaffende Überlagerung ist dünn, durchlässig und beweglich.

DP. 2006

Motion
Video-Installation


Motion
Das Interesse an den Grundlagen des Menschlichen, der menschlichen Identität, des menschlichen inneren Antriebs zur ständigen Weiterentwicklung, ständiger Bewegung … ist eines der Hauptthemen meiner künstlerischen Arbeit. In diesem thematischen Zusammenhang stehen die Arbeiten der beiden Ausstellungen in Kyoto, Motion und Overtures. Die Arbeiten sind während eines Aufenthaltstipendiums am Kyoto Art Center entwickelt und ausgeführt worden:
– eine Videoinstallation für das Kyoto Art Center
– Fotoarbeiten, die auf japanisches Papier gedruckt sind und eine großformatige Rauminstallation in der Galerie Artislong.

Bahnhöfe sind Schnittstellen der Gesellschaft und auch deshalb besonders interessant für dieses Projekt. Videoaufnahmen und Fotos sind am Bahnhof in Kyoto entstanden – am gleichen Ort, in der gleichen Situation. Sie zeigen den Bewegungsablauf der Menschenmenge aus ungewöhnlicher Perspektive – Vogelperspektive.

Für beide gilt: ein Moment im Fluss, im Lauf des Lebens, des Fortbewegens, des Antriebs, des Ziel vor Augen Habens – wird „herausgeschnitten“. Die durch Film und Bild erzeugte Distanz ermöglicht eine Art analytischen Blick auf Verhalten, Bewegungsabläufe, Bewegungsmuster.

Was bewegt den Menschen heute, wie geht die Entwicklung voran? Wie auch immer – es findet statt im Rahmen (all)täglicher Abläufe und Ereignisse.

DP. 2006

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